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: Wir Saubermänner

Nichts bleibt haften, wenn zu dem Anti-Graffiti-Mittel Protectosil gegriffen wird. Ein idealer Imprägnierschutz auch für die Stelen des Holocaust-Denkmals, was die Geschäftsführung des Denkmalbaus zum prompten Vertragsabschluss veranlasste. Die Wunderlösung hatte nur einen Schönheitsfehler: die herstellende Firma. Deren Name: Degussa.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Die Degussa hat auf zweifache Weise am Mord an den europäischen Juden verdient. Sie schmolz geraubtes jüdisches Gold zu gut verkäuflichen Barren, und sie war Teilhaber der Firma Degesch, die das tödliche „Zyklon B“ zu Zwecken der Vergasung in Auschwitz und anderswo herstellte. Angeblich hat die Degussa selbst bei ihrem Angebot für Protectosil auf ihre „Verstrickung“ in die Mordmaschine des Dritten Reiches hingewiesen und deshalb einen Preisnachlass für ihr Produkt gewährt.

Handelt es sich also um einen Akt tätiger Reue? Wäre nicht ferner zu bedenken, dass die Degussa ihre Geschichte gegenwärtig durch unabhängige Historiker durchleuchten lässt, ganz abgesehen davon, dass sie zu den Gründern der Stiftungsinitiative zur Entschädigung der Zwangsarbeiter gehörte? So sah es anfänglich auch die Geschäftsführung des Holocaust-Denkmals.

Aber sie hat sich geirrt. In diesem Fall hilft kein Protectosil – die Geschichte der Degussa bleibt an ihr haften. Die Manager des Konzerns haben in den letzten Jahren ein übers andere Mal versichert, sie würden sich ihrer historischen Verantwortung stellen. Aber eine solche Verantwortung, fälschlich als „Bewältigung“ bezeichnet, kann sich nicht in Schecks für die überlebenden KZ-Sklavenarbeiter und in der Öffnung der Firmenarchive erschöpfen. Auf dem Terrain symbolisierter Erinnerung – dazu gehört das Denkmalsprojekt – zählt vor allem das Eingedenken, es zählt der Schmerz der Überlebenden und der Nachkommen der Opfer. Das fordert Zurückhaltung, Taktgefühl und ein Gespür für die Bedeutung scheinbar unwichtiger Gesten.

An alldem fehlt es in Deutschland, sobald wir uns den Opfern des Nazismus zuwenden. Bei der Errichtung der Zwangsarbeiter-Stiftung wurde eine symbolische Geste im Kleinkrieg um die Aufbringung der fünf Milliarden zuschanden. Wenn wir uns des Mordes an den europäischen Juden erinnern, muss es gleich nicht nur das größte denkbare Denkmal sein, sondern auch das schmutzresistenteste. Wir Saubermänner.

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