Bleibt mal auf dem Teppich

ARD, ZDF, RTL und Sat.1 haben am Samstag zum sechsten Mal ihren Fernsehpreis verliehen. Und? So viel Ehrlichkeit muss sein: Es war nicht alles so grausig wie das Roter-Teppich-Lächeln von Nina Ruge

AUS KÖLNMARTIN WEBER

Normalerweise muss man dafür ausführlich hin- und herzappen. Wenn sich eine ganz bestimmte Branche allerdings alle Jahre wieder zur gegenseitigen Beweihräucherung trifft, kann man die komplette Blase auf einem Haufen sehen. Alle, die in einem Fernsehleben schon für zehn genervt haben – sie sind da.

Stefan Raab. Alice Schwarzer. Kim Fisher. Andrea Kiewel, der Fleisch gewordene Fernsehgarten. Jürgen Fliege, der salbungsvolle Sitzprediger der ARD. Sonya Kraus, der sprechende Akkuschrauber. Cherno Jobatey, der – lassen wir das: Cherno Jobatey zu sein ist Strafe genug. Und dann sind da noch die nichtsnutzigen Gestalten, deren Leben untrennbar mit der Existenz roter Teppiche zusammenhängt. Gäbe es die farbige Webware nicht, müsste man sich auch nicht mit Dragqueen Olivia Jones oder Blitzlichtjunkie Nova Meierhenrich rumplagen.

Eingeweihte wissen es längst, und medienresistente Menschen haben auch die längste Zeit Schwein gehabt: Es dreht sich selbstverständlich um den Deutschen Fernsehpreis, der am vergangen Samstag im Coloneum zu Köln stattfand. Und, so viel Ehrlichkeit tut Not: Es war nicht alles so furchtbar wie das Roter-Teppich-Lächeln von Nina „Alles wird gut“ Ruge, das selbst für scheinheilige Fernsehverhältnisse ein Unechtheitszertifikat verdient. Und es war auch nicht alles so verhaltensauffällig wie die Performance von Wolke Hegenbarth. Hätte die außer Rand und Band geratene Fotografenmeute noch heftiger gebrüllt und wäre der rote Teppich noch fünf Meter länger gewesen: Womöglich hätte die Amateur-Lolita schon vor dem eigentlichen Ort des Geschehens blankgezogen und sich pudelnackig gemacht.

Vorbildlich und absolut nachahmenswert war indes der Auftritt von Hugo Egon Balder. Der nahm den roten Teppich im Sauseschritt und gewann hernach den Preis für die „Besten Moderation Unterhaltung“. Was zum einen mit dem erfrischend simplen Format „Genial daneben“ zu tun hat und zum anderen eine bedrückend ehrliche Reaktion zufolge hatte. Wer immer schon mal wissen wollte, wie Missgunst im Gesicht eines 37-Jährigen mit Pennälerhumor aussieht, brauchte nur in das des ebenfalls nominierten Stefan Raab zu gucken.

Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der Auftritt von Carsten Sostmeier: Der ARD-Mann bekannte frank und frei, statt eines „Adamsapfels einen Pferdeapfel“ zu haben, und wurde für die „Beste Sportsendung“ prämiert. Womöglich, weil ihm beim Finale des olympischen Dressurreitens unter anderem folgender Satz gelungen ist: „Jetzt beginnt das hohe Kunststück, den Drahtseilakt auf dem Rücken des Pferdes zu meistern.“ Ja, es ist ohne Frage zum Wiehern, wenn einer schonungslos den Finger in offene Wunden legt, die andere mir nichts, dir nichts unter den Tisch kehren.

Prof. Dr. Guido Knopp, der Walt Disney unter den Dokumentarfilmern, wurde für „Das Wunder von Bern – Die wahre Geschichte“ mit einem Preis bedacht – und hielt anschließend eine Dankesrede, gegen die das bewährte Handwaschmittel Lux absolut seifenfrei ist. Sonst noch was? Ja. Jede Menge vollkommen zu Recht vergebene Auszeichnungen. An Olli Dittrich für „Dittsche“. An die niveauvolle Vorabendserie „Berlin, Berlin“ als „Beste Sitcom“. Der Ehrenpreis für Udo Jürgens: sowieso.

Jessica Schwarz, nominiert in der Kategorie „Beste Schauspielerin“, ging betrüblicherweise leer aus; den Preis gewann Martina Gedeck. Dafür trug die Jungschauspielerin Schwarz zart rosafarbene Gamaschen über dem Schuhwerk. Nicht schön, aber selten.

Heftige Rotationen gab’s auch unter der Diskokugel: Dr. Roger Schawinski tanzte. Zum Sound von Michael Jacksons „Wanna Be Startin’ Somethin’ “. Hätte ein prima Mottolied werden können für den chronisch erfolglosen Geschäftsführer von Sat.1. Eher unwahrscheinlich, dass er den Job im nächsten Jahr noch hat.

Ist aber auch vollkommen schnurz. Hauptsache, es heißt auch in zwölf Monaten wieder: Dasselbe noch mal, nur ein klitzekleines bisschen anders – beim Deutschen Fernsehpreis in der Version 2005. Obwohl: Noch ist gar nicht raus, ob die Ausgabe von 2004 überhaupt gültig ist. Barbara Schöneberger, ein durch und durch reinrassiges Medienpferdchen und ansonsten zweifellos auf jedem Geläuf zu Hause, war nämlich nicht vor Ort. Ziemlich gespannt und auch dezent bibbernd warten wir darauf, ob die Jury die Veranstaltung für rechtskräftig erklärt.

Und einer von vielen Wünschen fürs nächste Mal ist natürlich dieser hier: Bitte komm doch wieder, Babs.