Britische Bahnprivatisierung im Sarg

Der gemeinnützige Eisenbahnnetzbetreiber Network Rail entzieht Privatfirmen Großteil der Wartungsaufgaben

DUBLIN taz ■ Die britische Regierung holt sich die Eisenbahn Stück für Stück von den Privatfirmen zurück. Gestern verkündete Network Rail, das für das Schienennetz zuständig ist, sämtliche Wartungsarbeiten künftig selbst durchzuführen. Die Firma übernimmt rund 18.500 Arbeiter, die bisher im Dienst der sieben privaten Wartungsunternehmen standen. Dadurch will man 300 Millionen Pfund (432 Millionen Euro) der insgesamt 1,3 Milliarden Pfund (1,9 Milliarden Euro) teuren Wartungskosten pro Jahr einsparen.

Die regierende Labour Party versicherte eilig, dass von einer Verstaatlichung keine Rede sein könne, denn das klingt zu sehr nach „Old Labour“, als das Parteiprogramm noch sozialistische Prinzipien enthielt. Network Rail sei weiterhin eine Privatfirma, betonte Transportminister Alistair Darling. Das ist das Unternehmen jedoch nur auf dem Papier. Nach einer Serie von Unfällen, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen, fielen die Aktien der damals für die Schienen verantwortlichen Privatfirma Railtrack ins Bodenlose. Die Regierung erklärte das Unternehmen für insolvent und gründete Network Rail, das keine Aktionäre, sondern „Mitglieder“, allen voran die im vergangenen Jahr gegründete staatliche „Strategische Eisenbahnbehörde“ (Strategic Rail Authority) hat, und quasi gemeinnützig arbeiten muss.

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Network Rail, Ian McAllister, sagte gestern, es handle sich bei der Entscheidung nicht um den Beginn der Renationalisierung, sondern lediglich um Rationalisierung. Aufträge für den Bau neuer Strecken werden weiterhin an Privatfirmen vergeben. Doch auch bei den Eisenbahnunternehmen hat sich einiges geändert, seit British Rail 1996 von den Tories privatisiert worden ist. Die Strategic Rail Authority macht den Privatfirmen so strenge Auflagen, dass ihnen kaum noch Entscheidungsspielraum bleibt. Von den Zugtoiletten über Personal bis hin zu Sauberkeit und Pünktlichkeit ist alles staatlich geregelt, für die im britischen Eisenbahnnetz chronischen Verspätungen sind heftige Bußgelder zu berappen.

Die Gewerkschaften begrüßten gestern die Entscheidung: „Das ist ein Riesenschritt in Richtung Renationalisierung der Eisenbahn, wofür wir seit 1996 kämpfen“, freute sich Bob Crow, Generalsekretär der Bahngewerkschaft. „Die Privatisierung liegt endlich im Sarg und wartet darauf, dass ihr Grab geschaufelt wird.“ RALF SOTSCHECK

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