Fünf Freunde sollt ihr sein

Aufschwung im Ländle: Württemberger Winzer haben die Initiative „Junges Schwaben“ gegründet

von ERWIN KIEFER

„Kenner trinken Württemberger“ – so werben die schwäbischen Weinbauern seit Jahrzehnten. Spötter konterten gerne mit einer Verballhornung des Slogans: „Trinker kennen Württemberger“. Viele Jahre dümpelte das Anbaugebiet in der bundesweiten Qualitätshierarchie im hinteren Teil des Feldes. Aber die Zeiten haben sich gebessert, seit sich in den Neunzigerjahren eine neue Generation junger Winzer daranmachte, mit frischen Ideen und modernen Vinifizierungsmethoden zu beweisen, dass auch im Land der mit dem berühmten Henkelglas bewaffneten „Viertelesschlotzer“ gehaltvolle Weine möglich sind.

Der Beweis gelang so nachhaltig, dass in den letzten Jahren bei hochkarätigen Weinprämierungen die Preise gleich mehrfach nach Württemberg gingen. Jetzt macht sich neben vielen anderen eine Gruppe Nachwuchswinzer daran, den neu erworbenen Ruf zu festigen: „Junges Schwaben“ nennen sich die fünf, die sich vor zwei Jahren um den Stuttgarter Weinfachmann und taz-Weinkritiker Bernd Kreis zusammengeschlossen haben.

Die Winzer kommen aus den unterschiedlichsten Teilen des Schwabenlandes: Sven Ellwangers Weinberge liegen rund um die Gemeinde Großheppach und damit genauso im Remstal wie das Weingut von Jochen Beurer aus Kernen-Stetten. Jürgen Zipfs Traubenstöcke wachsen auf der Gemarkung der malerischen Gemeinde Löwenstein, Hans Hengerer führt das fast fünfhundert Jahre alte Heilbronner Weingut Kistenmacher-Hengerer, und das Anbaugebiet von Rainer Wachtstetter liegt in Pfaffenhofen.

So unterschiedlich ihre Herkunft, so unterschiedlich sind die Typen, die sich um Mentor Bernd Kreis geschart haben. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten – und die weisen sie als echte Schwaben aus. Der Schwabe ist nämlich jenseits der Klischees, die ihm vor allem Sparsamkeit, Langsamkeit im Denken und eine durch und durch konservative Lebenshaltung nachsagen, auch ein überaus erfinderischer Geist, der eingetretene Wege verlässt – vorausgesetzt, er ist von seinem Ziel überzeugt.

Ziel des Quintetts ist es, unverwechselbare, ursprüngliche und unverfälschte Weine zu produzieren. Der regelmäßige Erfahrungsaustausch in der Gruppe hilft dabei ebenso wie Verkostungen mit Bernd Kreis, gemeinsame Weinproben und Reisen in andere Weingebiete. Unisono loben sie die Offenheit, die untereinander herrsche. Man will sich in der Gruppe und als Gruppe weiterentwickeln. Was aber nicht heißt, dass bei ihren Weinen ein gemeinsamer Stil auszumachen wäre. Das ist auch gar nicht gewollt – ganz im Gegenteil.

Fast scheint es, als seien die fünf angetreten, um das Potenzial, das in verschiedenen Weinbergen Württembergs noch längst nicht ausgeschöpft ist, herauszukitzeln. „Das Potenzial für Rotwein in Württemberg ist das größte in Deutschland überhaupt“, glaubt Kreis. Wer den 2002er „Löwensteiner Trollinger Steillage“ von Jürgen Zipf probiert – eigentlich ist der Trollinger ein braver Hausschoppen –, der ahnt, dass er Recht haben könnte. Wer den im Barrique gereiften Lemberger oder den Spätburgunder aus dem Jahr 2001 von Rainer Wachtstetter kostet, der weiß es.

Dabei sind es bisher vor allem die Weißweine, die den neuen guten Ruf schwäbischer Tropfen begründen. Ihre Rieslinge haben den beiden Remstäler Winzern Sven Ellwanger und Jochen Beurer inzwischen auch zu bundesweitem Ansehen verholfen. Seit fast fünfhundert Jahren beschäftigt sich die Familie Ellwanger in Großheppach mit dem Weinbau, aber erst seit 1975 werden die Trauben auch selbst zu Wein verarbeitet.

Wie der Sohn heute, zeigte Vater Bernhard Ellwanger schon damals Pioniergeist und pflanzte als erster im Remstal die seltene rote Mutation des Muskatellers an, den nach Rosen duftenden Muskat-Trollinger. Der gehört heute – zusammen mit dem Gewürztraminer und dem Sauvignon blanc – zu den Spezialitäten des Weinguts. Hauptsorten aber sind die traditionellen Remstäler Reben Trollinger und vor allem der Riesling. Die steilen Südhänge mit tiefgründigen Keuperformationen bieten der besten deutschen Weißweinrebe ideale Voraussetzungen.

Bei dem vom Fachblatt Vinum vergebenen Rieslingpreis waren die Ellwangers bei der Preisverleihung unter den besten Erzeugern Deutschlands. Zu denen zählt zweifelsfrei auch Jochen Beurer, der vielleicht eigenwilligste Weinmacher des Quintetts. Die von Sandsteinschichten durchzogenen Keuperböden und die Höhenlagen in Stetten verleihen seinem Riesling besondere Finesse und führen zu eleganten, fruchtigen und extraktreichen Weinen, die sich ausgezeichnet auf der Flasche entwickeln.

„Ich will immer das Optimale herausholen“, beschreibt der ehemalige BMX-Europameister sein Credo, und das klingt bei ihm, als wäre er immer noch auf seinem Sportgerät unterwegs, in halsbrecherischer Fahrt downhill über Stock und Stein. Das Risiko liebt er auch beim Ausbau des Weins: Schon im vergangenen Jahr hat er die Hälfte der Lese spontan mit weinbergseigenen Hefen vergoren. Nach diesem Jahrhundertsommer will er allen Trauben seines nur fünf Hektar großen Weingutes auf diese Weise zu Rasse und Klasse verhelfen.

„Möglichst wenig Technik“ heißt Beurers Erfolgsrezept. Erst 1997 hatte er den Vater zum Austritt aus der Winzergenossenschaft überredet. Inzwischen wird er von Weinautor Stuart Pigott zur „Gilde der besten deutschen Weißweinmacher“ gezählt. Dazu trägt sicherlich die von allen fünfen geteilte Grundeinstellung bei, möglichst ökologisch zu wirtschaften. Durch Bodenbegrünung, Verzicht auf Insektizide, Ertragsreduzierung sowie Entlauben der Traubenzone im Sommer wird Ökologie mit Qualitätsdenken verbunden. So wird der Grundstein für hochwertiges und gesundes Lesegut gelegt.

Sorgfältiger Umgang mit den Trauben und konsequente Maischegärung, ohne die gerade in Württemberg häufig angewandte Erhitzung des Mostes, führen bei den Rotweinen zu Gewächsen, die auch Hans Hengerer, Rainer Wachtstetter und Jürgen Zipf Auszeichnungen am Fließband eingetragen haben. Solche Preise erfreuen in einem Land, in dem es heißt: „Nix g’sagt, ischt gnuag g’lobt.“ Wichtig ist den fünf „jungen Schwaben“ vor allem der Spaß und die Qualität ihrer Arbeit. Den Spaß spürt man schon nach wenigen Sätzen, die Qualität nach dem ersten Schluck.

ERWIN KIEFER, 49, ist Rieslingtrinker und Schalke-Fan. Er lebt als freier Journalist in Stuttgart