Kranke Kinder ohne Hilfe

Nicht einmal jedes fünfte psychisch kranke Kind in Bremen bekommt professionelle Hilfe. Besonders prekär ist die Lage in Bremerhaven und Bremen-Nord

bremen taz ■ In Bremen gibt es zu wenige Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche. Das geht aus einer Stellungnahme hervor, die die Psychotherapeutenkammer Bremen auf Bitten der Gesundheitsbehörde vorgelegt hat. „In Bremerhaven und Bremen-Nord herrscht regelrecht Therapeuten-Notstand“, heißt es in dem Schreiben. Rund 7.200 Kinder in Bremen und 1.600 in Bremerhaven müssten psychisch behandelt werden, schätzt die Therapeutenkammer. Einen Therapieplatz bekämen aber nur 14 Prozent der Bremer und vier Prozent der Bremerhavener Betroffenen.

„Viele Probleme müssen die Kinderärzte selbst lösen“, sagt Stefan Trapp, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Bremen. Die Wartezeiten bei den Therapeuten seien oft zu lang. Ist ein Therapieplatz gefunden, kommen lange Anfahrtswege dazu. Die meisten Kinder-Therapeuten hätten ihre Praxen in Schwachhausen. Andere Stadtteile besonders im Bremer Norden seien unterversorgt, beklagt der Waller Kinderarzt Bernward Fröhlingsdorf.

Noch länger sind die Wege oft für psychisch erkrankte Kinder aus Bremerhaven. Denn dort gibt es nur einen Psychotherapeuten, der sich auf Kinder und Jugendliche spezialisiert hat. „Oft müssen die jungen Patienten über ein halbes Jahr warten“, sagt der Bremerhavener Kinderarzt Roland Konrad. Axel Renneberg, Chefarzt der Kinderklinik im Krankenhaus Am Bürgerpark sieht noch ein weiteres Problem: „Auch viele Kinder aus Niedersachsen werden in Bremerhaven psychotherapeutisch behandelt.“ Kriterium für die Neuzulassung eines Therapeuten sei aber nicht das Patientenaufkommen, sondern die Einwohnerzahl der Stadtgemeinde.

Über Neuzulassungen entscheidet der Zulassungsausschuss, in dem Vertreter von Krankenkassen, Patientenverbänden und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) sitzen. Till Spiro, Vorstandsvorsitzender der KV Bremen, sieht keine Chancen für Neuzulassungen. Bremen und Bremerhaven seien überversorgt. Das Psychotherapeutengesetz mache keinen Unterschied zwischen Fachleuten für Erwachsene und Kinder. Die Psychotherapeutenkammer fordert die KV indes auf, Sonderbedarfszulassungen zu prüfen. Danach könne man wegen des besonderen Bedarfs spezielle Fachtherapeuten für Jugendliche in begrenzten Gebieten wie Bremen-Nord oder Bremerhaven zulassen, erklärt der Präsident der Therapeutenkammer, Karl Heinz Schrömgens. In Stade und Verden habe das geklappt. Und ein besonderer Bedarf bestehe in Bremen allemal. Ebbe Volquardsen