Spendierer sind launisch

Washington ist offenbar bereit, den Wiederaufbau des Irak noch weiter in die Hände der Staatengemeinschaft zu legen

aus Madrid und New York REINER WANDLER
und MICHAEL STRECK

Die Rechnung will einfach nicht aufgehen. 36 Milliarden Dollar sind nach Schätzungen der Weltbank und der Vereinten Nationen in den nächsten vier Jahren nötig, um den Irak nach 20 Jahren Krieg und 12 Jahren Embargo wieder aufzubauen. Aufbringen soll das Geld neben den USA eine internationale Geberkonferenz, die heute und morgen unter Teilnahme von 70 Ländern in Madrid tagt. So jedenfalls sahen es ursprünglich die Pläne der Bush-Administration vor. An der Umsetzung allerdings hat sie selbst bereits Zweifel.

Er glaube nicht, dass „die internationale Hilfe die gleiche Menge wie die USA, 20 Milliarden Dollar, zusammenbringen wird“, gestand US-Außenminister Colin Powell vor wenigen Tagen kleinlaut. Auch seine spanische Amtskollegin Ana Palacio, die Gastgeberin spielen darf, mahnt zur Bescheidenheit. Wenn 7 Milliarden zusammenkommen, wäre dies für die Konservative aus Madrid schon ein Erfolg. Doch selbst das könnte noch zu hoch gegriffen sein. Denn Länder wie Deutschland, Frankreich und Russland werden nicht spenden. Die Kriegsgegner wollen nicht den Scherbenhaufen bezahlen, den die Allianz rund um die USA hinterlassen hat.

Um den Klingelbeutel dennoch einigermaßen zu füllen, greifen die europäischen Verbündeten der USA ungewöhnlich tief in die Tasche. Großbritannien hat 375 Millionen Dollar versprochen, und Spanien lässt 300 Millionen springen. Das ist das 1,5fache dessen, was die EU-Kommission zugesichert hat. Noch nie war Madrid so großzügig. Ganz uneigennützig geschieht dies freilich nicht. Spanien hat in Washington bereits den Wunsch „nach einem Großauftrag beim Wiederaufbau des Iraks“ angemeldet. „Es wird kein Geld an die irakischen Behörden überweisen, mit dem sie machen können, was sie wollen“, zitiert die spanische Presse Regierungskreise. Die Regierung von José María Aznar scheint damit auch nicht die Befürchtung anderer potenzieller Geberländer zu teilen, ihre zur Verfügung gestellten Mittel könnten letztlich in die Taschen von US-Firmen fließen. Aus diesen Länder haben sich überwiegend Staatssekretäre für die Konferenz angemeldet, nicht etwa Minister.

Die Zurückhaltung ist nicht unbegründet. Rund ein Drittel der US-Finanzhilfen soll in Form von Aufträgen an amerikanische Firmen – darunter Haliburton und Bechtel – gehen, denen enge Verbindungen zum Weißen Haus nachgesagt werden. Nach Berichten der Washington Post soll außerdem der Baumaschinenproduzent Caterpillar hunderte Bulldozer und Rohrverlegemaschinen in den Irak liefern. Das Unternehmen Kellogg, Brown & Root habe den Exklusivauftrag für den Wiederaufbau der irakischen Ölwirtschaft bekommen, heißt es weiter in den Medien. Die Vergabe der lukrativen Projekte fand hinter verschlossenen Türen ohne öffentliche Ausschreibung statt. Vor wenigen Tagen wurde zudem bekannt, dass im Irak tätige US-Firmen ihre Gewinne nicht gegenüber dem Kongress und der Steuerbehörde deklarieren müssen.

Auch wenn er sich damit eine Veto-Androhung von Präsident George W. Bush einhandelte: Mangelnde Transparenz und dubiose Kalkulationen haben den US-Kongress veranlasst, die von Bush geforderten 20 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau an eine Bedingung zu knüpfen: Die Hälfte der Hilfen soll in Kredite umgewandelt werden, auf deren Rückzahlung die USA nur verzichten, wenn auch die anderen Gläubiger – der Irak steht mit rund 120 Milliarden Dollar vor allem in Frankreich, Russland und Deutschland in der Kreide – mitziehen.

Paris und Berlin haben jedoch bereits angekündigt, dass sie dazu nicht bereit sind. Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul sagte am Dienstag, ein kompletter Schuldenerlass sei ausgeschlossen, und verwies auf die Bodenschätze des Landes. „Wenn die Öleinnahmen wieder laufen, kann sich Irak selbst tragen.“ Ähnlich argumentiert die französische Regierung.

Um die Europäer doch noch ein bisschen spendierlustiger zu machen, haben die Amerikaner nun in Aussicht gestellt, die Kontrolle über die Hilfsmittel einer unabhängigen Agentur anzuvertrauen, die der Weltbank und der UNO unterstellt ist und eng mit dem irakischen Regierungsrat kooperieren soll. Außerdem sollen Aufträge in Zukunft international ausgeschrieben werden. Die Bush-Regierung reagiert damit auch auf die Kritik, die mehr internationale Mitbestimmung im Irak gefordert hatte. Noch bei der Verabschiedung der jüngsten UN-Resolution hatte sich Washington hartnäckig geweigert, Machtbefugnisse im Zweistromland abzugeben.

Die Weltbank hat den USA-Plan inzwischen aufgenommen. Sie will heute in Madrid den Vorschlag unterbreiten, zwei unabhängige Fonds zu schaffen, die jeweils von der UNO und ihr selbst verwaltet werden. Um die Ausgaben zu koordinieren, will die Weltbank gemeinsam mit der UNO einen Prioritätenkatalog erarbeiten.

Parallel zur Geberkonferenz tagen heute in Madrid auch 255 Firmen und Unternehmerverbände aus aller Welt. Auch sie wollen beim Aufbau helfen beziehungsweise einen lukrativen Vertrag einstreichen. Hieran nehmen selbstverständlich auch Unternehmen aus Deutschland, Russland und Frankreich teil. Doch dass sie schon in Madrid Verträge einheimsen können, ist wenig wahrscheinlich.

Denn die spanische Regierung scheint schon mit der Organisation der sich als immer schwieriger erweisenden Konferenz völlig überfordert zu sein. Selbst gestern Morgen, nur 24 Stunden vor der Eröffnung des Treffens, war die eigens für die Presse eingerichtete Internetseite www.comisionadoiraq.org/ leer. Wer etwa die Tagesordnung oder die Teilnehmerliste oder das Pressedossier abrufen wollte, bekam auf dem Bildschirm ein Schild „Vorsicht, Bauarbeiten“ eingeblendet. Auch ein Anruf beim Regierungssprecher war nicht aufschlussreicher. Da werden sich auch Industrielle schwer tun, die richtigen Ansprechpartner zu finden.