Tor zur Bühne

Intelligente Umsetzung des Lubitsch-Klassikers: Sebastian Schlössers „Sein oder Nichtsein“ am Schauspielhaus

Schauspieler spielen Schauspieler, die in der Realität schauspielern. Das führt zu komplizierten Verwicklungen, die Ernst Lubitsch in seinem Filmklassiker Sein oder Nichtsein als brillante Satire nicht nur auf die Eitelkeit der Schauspielerzunft, sondern auch auf die aufgeblasenen Verhaltensrituale der Nazis umgesetzt hat.

Wenn Sebastian Schlösser die 1942 gedrehte Komödie jetzt auf die Bühne des Schauspielhauses bringt, ist das vom Medium her konsequent. Schließlich geht es auch im Film um Theaterschauspieler: Die dürfen im von Deutschen besetzten Polen eine gerade eingeübte Naziparodie nicht mehr auf die Bühne bringen, können ihre Schauspielkunst aber dafür im richtigen Leben einsetzen, um die polnische Widerstandsbewegung zu retten.

Wie Lubitsch gelingt es auch dem 1977 geborenen Schlösser, das hoch politische Thema leichtfüßig zu inszenieren. Dabei hilft ihm natürlich der Dialogwitz, den er quasi eins zu eins übernehmen kann. Es liegt aber auch an den glänzenden Schauspielern und der intelligenten theatralischen Umsetzung. Zunächst ist die Bühne ein Chaos: Vollgestopft mit Requisiten und Lampen, Teilen von Kulisse und Garderoben, laufen zwischen Kabelgewirr und Schauspielern vor der Probe (reale) Bühnenarbeiter herum. Der (echte) Inspizient des Schauspielhauses, Olaf Rausch, gibt vom Pult aus technische Anweisungen an seine (echten) Kollegen, die dann mal Shakespeares Hamlet, mal eine Nazisatire proben. Die Bühne auf der Bühne ist durch ein hohes Tor begrenzt. Erst als die Truppe gezwungen ist, im realen Leben schauspielern zu müssen, verschwindet der ganze Kokolores, werden all die Hilfsmittel nach und nach abgetragen.

Es ist ein großer Moment an diesem Theaterabend, als das Licht nur noch auf einen großen Schreibtisch und zwei Stühle fällt. Hier, im Gestapohauptquartier von Gruppenführer Ehrhardt (Thomas Kügel), wahlweise auch dem Hotelzimmer des Spions Professor Siletsky (Stephan Grossmann) steigert sich die Schauspielersatire zur packenden Nazisatire. Die Polen spielen um ihr Leben, um „Sein oder Nichtsein“. Und laufen zur Höchstform auf: Josef Tura (Alexander Simon) gibt sich als Gestapochef aus, um an geheimes Material des Spions heranzukommen, seine Frau Maria (Myriam Schröder) hingegen dient sich diesem als Spionin für die Deutschen an. Und es wird noch verwickelter. Was Truffaut über den Film gesagt hat, gilt auch für diese Inszenierung: „Eine Stunde, nachdem Sie ihn gesehen haben oder ihn auch zum sechsten Mal wiedergesehen haben, wette ich mit Ihnen, dass es Ihnen absolut unmöglich ist, die Handlung von To Be or Not to Be nachzuerzählen.“ In diesem Sinne: Dabeisein ist alles. Karin Liebe

Nächste Vorstellungen: 6.+ 9.10., 20 Uhr, Schauspielhaus