Bundesanwalt unter Beschuss

Terrorprozess gegen drei Magdeburger Linke beginnt mit schweren Vorwürfen gegen den Anklagevertreter

HALLE taz ■ Der Prozess gegen drei junge Linke aus Magdeburg, denen die Bundesanwaltschaft „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vorwirft, begann gestern mit einer politischen Erklärung der Angeklagten und einem Ablösungsantrag gegen den Vertreter der Karlsruher Anklagebehörde.

Für die Hauptverhandlung gegen Marco H. (24), Daniel W. (22) und Carsten S. (23) ist die 1. Strafkammer des Oberlandesgerichts Naumburg eigens in den Hochsicherheitssaal ins Justizzentrum Halle ausgewichen. Kaum hatte Bundesanwalt Andreas Hornick die Anklage gegen die drei Männer verlesen, denen unter anderem Brandanschläge auf Autos von DaimlerChrysler und der Telekom sowie das Landeskriminalamt Magdeburg vorgeworfen werden, muss das Gericht nun kommenden Dienstag über den weiteren Verbleib Hornicks entscheiden.

Die Vorwürfe gegen den Bundesanwalt: Er hatte ohne den zuständigen Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof die Festnahme von Marco H. und Daniel W. im November 2002 angeordnet. Hornick hatte für die Festnahmen mit „Gefahr im Verzug“ argumentiert, da Marco H. in einem abgehörten Telefongespräch mit seiner Verlobten berichtet hatte, ihm seien polizeiliche Observationen aufgefallen. Zudem kritisierten die Verteidiger, habe der Bundesanwalt verbotene Verhörmethoden gegen einen Freund der Angeklagten angewandt. Der 21-jährige Christian S. (Name geändert) wurde von Polizeibeamten mit der Drohung, man werde seinen herzkranken Großvater über seine Homosexualität informieren, wenn er keine Aussagen mache, zum Verhör mitgenommen. Dort soll Bundesanwalt Hornick die Drohung erneuert und als „Entscheidungshilfe“ bezeichnet haben. Zudem, so die Verteidiger, habe Hornick von dem Verhör des jungen Mannes lediglich ein stichwortartiges Protokoll angefertigt, das dann später mit erheblich abweichenden Aussagen ausformuliert worden sei. Zusätzliche Brisanz hat die Vernehmung von S., weil die Bundesanwaltschaft gegen ihn und vier weitere politische Freunde der Angeklagten ebenfalls wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ ermittelt.

Die drei Angeklagten, die aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurden, äußerten sich nicht zu den Vorwürfen der Anklage. Sie verlasen stattdessen eine Erklärung, in der sie den Ermittlungsbehörden die „Kriminalisierung linker Politik“ vorwarfen. HEIKE KLEFFNER