Verteidiger des wahren Glaubens tritt ab

Der Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, kündigt seinen Rücktritt ein und beugt sich damit dem Willen des Vatikans

Altbischof Kurt Krenn, wie man ihn seit gestern nennen darf, war immer ein Mann, der polarisierte und polemisierte. Und er war das, was man in Österreich einen Steher nennt: Er trotzte allen Rücktrittsforderungen, selbst als der Vatikan ihm schon den Abschied „aus Gesundheitsgründen“ nahe legte und zuletzt die Kirchenaustritte um monatlich 40 Prozent anstiegen. Es bedurfte eines persönlichen Schreibens von Johannes Paul II., damit der St. Pöltener Diözesanbischof seine Pensionierung beantragte.

Als Krenn 1991 vom Papst zum Bischof von St. Pölten ernannt wurde, ging ein Aufschrei durch das Kirchenvolk. Er musste über menschliche Barrieren steigen, um zur Festmesse in den Dom zu kommen. Sein rückwärts gewandtes Verständnis von Liturgie und Glaubenslehre machte ihn zum Hoffnungsträger für die in die Defensive geratenen Traditionalisten. Zur von engagierten Laien getragenen Reform-Plattform „Wir sind Kirche“ ging er auf Konfrontation: „Wir müssen streitfähig sein. Dialog ist zu wenig.“ Mädchen durften nicht mehr ministrieren, wiederverheirateten Geschiedenen wurde das Sakrament der Kommunion verweigert.

Gegenüber Kritikern betrachtete sich Krenn als Verteidiger des wahren Glaubens: „Da müsste der Liebe Gott abdanken, denn ich vertrete die Wahrheit, die Gott uns gibt.“ Ins Seminar zu St. Pölten wurden all jene aufgenommen, die wegen menschliche Unreife oder psychischer Labilität in anderen Seminaren abgelehnt worden waren. Dass dort die Männerliebe blühte, stand in seltsamem Widerspruch zu Krenns unversöhnlicher Haltung zur Homosexualität.

Bald verschworen sich auch die Äbte der niederösterreichischen Klöster gegen den ungeliebten Diözesanbischof und betrieben seine Absetzung. Joachim Angerer, pensionierter Abt von Stift Geras, fürchtete um die Einheit der Kirchengemeinde: „Die Diözese ist total gespalten worden: sehr bewusst. Die Kirchen sind halb leer geworden.“ Udo Fischer, den liberalen Pfarrer von Paudorf und wortgewaltigen Krenn-Kritiker, nahmen die Äbte gegen den Versetzungsbefehl Krenns in Schutz.

Auch mit dem konservativen Kardinal Christoph Schönborn legte sich der streitbare Bischof an, als dieser 1999 seinen Fünfjahresbericht veröffentlichte. „Mir genügt es, wenn die Lügner das Maul halten“, bellte er Richtung Wien. Sich selbst sah er immer als Opfer. „Auch der Heiland ist auf Erden schlecht behandelt worden“, klagte er einem Reporter, als Rücktrittsrufe selbst aus Rom unüberhörbar wurden.

2003 platzte der Skandal im Priesterseminar. Auf einem Computer fanden sich tausende Kinderporno-Bilder. Ein Zögling wurde verurteilt. Kirchenintern noch brisanter waren Fotos, die die Seminarleiter in intimen Positionen mit Zöglingen zeigen. Krenn bekam mit Bischof Klaus Küng einen apostolischen Visitator zur Seite gestellt, der die Vorwürfe untersuchte. Küng, wie Krenn ein Mann des Opus Dei, wird vermutlich dessen Nachfolger. RALF LEONHARD