Geschäfte mit Nabelschnurblut

Immer mehr Firmen leben blendend vom schlechten Gewissen von Eltern. Sie werben damit, dass vorsorglich eingelagertes Nabelschnurblut von Neugeborenen lebensrettend für das Kind sein kann. Doch noch sind das nur Heilsversprechungen

VON REINHARD WOLFF

Niemand weiß, ob man es irgendwann einmal nutzbringend anwenden kann. Blut aus der Nabelschnur. Doch die Branche stört das nicht. Das Geschäft mit der Unruhe und dem schlechten Gewissen werdender Eltern wird offenbar immer einträglicher. Dänemark, ein überschaubarer Markt mit einer kleinen Bevölkerung mit relativ hohem Einkommensniveau und wenig gesetzlichen Hindernissen im Bereich des Umgangs mit Stammzellen, scheint von der Branche als ein Testmarkt ausgewählt worden zu sein. Über ein halbes Dutzend einschlägiger Firmen streiten sich um die dortigen rund 60.000 Geburten jährlich.

Die Werbung wird zunehmend aggressiver. Internetseiten und Prospekte mit wenig Text und vielen Bildern von Babys und Schwangeren reichen anscheinend nicht mehr aus. „Aufwandsentschädigungen“ sind jetzt bekannt geworden, mit denen Ärzte und Geburtshilfepersonal gelockt werden, sich aktiv an der Blutsammelei zu beteiligen. Und die erste Firma hat in diesem Monat sogar eine Fernsehwerbe-Kampagne gestartet. Angeboten wird das Nabelschnurblut Neugeborener in der Geburtsklinik zu sichern, es abzuholen, zu untersuchen und dann bei minus 196 Grad einzufrieren. Für 18 bis 25 Jahre Aufbewahrungszeit und je nachdem, ob der Tiefkühlschrank beispielsweise im In- oder Ausland steht, muss man umgerechnet zwischen 1.500 und 2.500 Euro hinblättern. Und dann darf man sich beruhigt zurücklehnen: Man hat „alles“ für sein Kind getan. Wird jedenfalls von den Firmen mit Namen wie ActivisonLife, CopyGene oder StemCare suggeriert: Was auch geschieht, die Stammzellen deines Kindes sind jetzt sicher aufbewahrt.

Nabelschnurblut enthält Stammzellen, die noch die Fähigkeit haben sich zu spezialisierten Körperzellen zu entwickeln. Auf Krebs, Rheuma, Diabetes, Alzheimer, Parkinson wird verwiesen und mit in Bioreaktoren hergestellten Organen, die dann transplantiert werden könnten, wird zum Vertragsabschluss gelockt. Im Moment ist dies mit Hilfe des Nabelschnurbluts zwar alles noch nicht möglich. Aber vielleicht irgendwann einmal in ferner Zukunft könnten mit den Stammzellen in diesem Blut eine Vielzahl von Krankheiten geheilt werden.

„Verschwindend gering“ ist diese Hoffnung für Niels Borregaard, Klinikchef an der hämatologischen Abteilung des „Rigshospitalet“ („Reichsklinik“) in Kopenhagen. Und wenn es tatsächlich einmal erfolgversprechende Behandlungsmethoden geben sollte, für die man eigene Stammzellen benötigen würde, „braucht man nicht unbedingt das Nabelschnurblut“.

Doch das Geschäft mit der Hoffnung blüht. CopyGene-Chef Klaus Riskær Pedersen behauptet gegenüber der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter, allein seine im Februar gestartete Firma decke bereits drei Prozent und bis November vermutlich fünf Prozent des Markts mit Nabelschnurblut ab. Und Niels Ahlmann-Ohlsen vom konkurrierenden Stamcellecentret glaubt, dass „in ein paar Jahren die Abnahme des Nabelschnurbluts ein natürlicher Teil der Geburt werden und ganz automatisch gemacht“ werde.

Wogegen bei aller Skepsis auch Niels Borregaard nicht unbedingt etwas hätte. Sofern es in öffentlicher Regie geschehen würde und die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut allgemein zur Verfügung stehen würden. Beispielsweise für Transplantationen. Denn Vorteile haben diese Stammzellen gegenüber den beispielsweise aus dem Knochenmark gewonnen tatsächlich. Die Entnahme ist risikolos, das Blut ist virenfrei und wäre sofort verfügbar, wenn es gebraucht wird.

Das Nabelschnurblut in einer staatlichen Blutbank würde auch ein der privaten Geschäftemacherei immanentes Risiko ausschließen: die Folgen des Konkurses einer solchen Firma. Diese versuchen ihre Kundschaft derzeit mit von ihnen abgeschlossenen Versicherungsverträgen zu beruhigen über die angeblich auch nach einem Konkurs der Betrieb der Tiefkühlschränke sichergestellt werde. Oder indem sie den Aufbewahrungsteil ihres Geschäfts an Tochtergesellschaften, die oft in Form von Stiftungen oder Fonds betrieben werden, ausgliedern.

Innerhalb der EU gibt es ein ausdrückliches Verbot privater Stammzellenbanken bislang nur in Italien. Eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission hat kürzlich aber empfohlen, dass Stammzellenbanken nicht in kommerzieller Form betrieben werden sollten. Lasse man diese aber zu, sollte man sie verpflichten, ihre potenzielle Kundschaft deutlich darauf hinzuweisen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen künftigen therapeutischen Einsatz dieser Stammzellen als äußerst gering angesehen werden müsse. Weitere Empfehlungen: Wenn schon Stammzellenbanken, dann ein Netzwerk und die Möglichkeit Zellen auch über die Landesgrenzen austauschen zu können.