Finnland plant Neubau von Siemens-AKW

Erster Reaktorneubau in der EU seit 13 Jahren. Finnland will den neu entwickelten EPR-Meiler von Siemens und Areva

STOCKHOLM taz ■ Die deutsch-französische Atomindustrie könnte vor einem politisch hoch willkommenen Auftrag stehen. In der vergangenen Woche gab das finnische Stromversorgungsunternehmen Teollisuuden Voima Oy (TVO) bekannt, dass das Konsortium Framatome-Siemens am „aussichtsreichsten“ im Rennen um den Bau eines möglichen neuen Atomreaktors liege. Es wäre der fünfte Reaktor Finnlands, der erste dortige Neubau seit den Siebzigerjahren und überhaupt der erste Auftrag für einen AKW-Neubau innerhalb der EU seit mehr als 13 Jahren.

TVO hatte aufgrund einer im März abgeschlossenen öffentlichen Ausschreibung drei Angebote für das vom finnischen Parlament im vergangenen Jahr politisch abgesegnete Projekt eines AKW-Neubaus erhalten. Neben der Framatome, der Tochter von Siemens und dem französischem Atomkonsortium Areva, waren dies die von vornherein als chancenlos eingeschätzte russische Atomstroj und General Electric (USA) gewesen. Vom Reaktortyp her hatte Framatome einen Koch- sowie einen Druckwasserreaktor angeboten. TVO favorisiere den Druckwasserreaktortyp EPR, teilte TVO-Chef Mauno Paavola nun mit.

Die Atomindustrie setzt in den neu entwickelten „Europäischen Druckwasserreaktor“ große Hoffnungen für den Fall, dass etwa in Frankreich überalterte AKWs ersetzt werden. Finnland wäre bei Verwirklichung der Baupläne das erste Land, wo der EPR errichtet würde. Eine Aussicht, welche das Deutsche Atomforum zum Anlass nahm, von einer Widerlegung der „Behauptungen, Kernenergie sei ein Auslaufmodell“, zu sprechen.

Eine Vorreiterrolle beim Bau eines EPR-Reaktors dürfte sich vermutlich auch in einem für den Besteller besonders günstig kalkulierten Preisangebot seitens Framatome niederschlagen. Man habe sich bei der Auswahl ausschließlich von kommerziellen Erwägungen leiten lassen, begründete Paavola die wahrscheinliche Wahl von TVO. Einige Fragen seien aber noch offen.

Der für Finnland ins Auge gefasste EPR wäre mit einer Leistung von 1.600 MW der Prototyp eines der leistungsstärksten der bislang entwickelten Atommeiler. Eine Bausumme von rund 3 Milliarden Euro wurde von finnischen Medien genannt. Was den Standort angeht, entschied sich TVO gleichzeitig mit der Bekanntgabe seines favorosierten Anbieters für das westfinnische Olkiluoto, wo bereits zwei Atomreaktoren betrieben werden und in dessen Nähe die Errichtung des Atomendlagers für alle abgebrannten Brennstäbe geplant ist.

Als möglicher Baubeginn ist das Jahr 2005 im Gespräch, das AKW könnte dann 2009 in Betrieb gehen. Zuvor muss die finnische Atomaufsicht den Meiler noch genehmigen. In einer vorläufigen Untersuchung konnte der EPR die Aufseher noch nicht völlig überzeugen. Der Meiler soll eine Lebensdauer von 60 Jahren haben. Falls er angesichts der niedrigen Stromkosten jemals wettbewerbsfähig sein könnte. Was zumindest angesichts des aktuellen Strompreisniveaus auch von weiten Teilen der Stromwirtschaft ausgeschlossen wird. REINHARD WOLFF