„Der Innensenator ist starrköpfig“

Einwanderer in Bremen schauen neidisch nach Schleswig-Holstein. Das hat eine Härtefallkommission, die integrierten Flüchtlingen oft das Bleiberecht sichert. Doch in der Großen Koalition Bremens kann sich die SPD nicht durchsetzen

von Ebbe Volquardsen

Eigentlich könnte sich Miriyam Chaabo freuen. Im nächsten Jahr wird die 17-Jährige ihren Realschulabschluss in der Tasche haben. Eine Lehrstelle hat sie so gut wie sicher. Der Arzt, bei dem sie ein Praktikum gemacht hat, möchte sie gern als Auszubildende haben.

Doch die Freude ist getrübt. Im Mai wird Miriyam 18. Dann soll sie in die Türkei abgeschoben werden, ein Land, in dem sie noch nie gewesen ist. Miriyam wurde im Libanon geboren. Als sie 1988 mit ihren Eltern und vier Geschwistern nach Bremen kam, war sie nicht einmal ein Jahr alt. Libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten in Deutschland einen sicheren Aufenthaltsstatus. So auch die Chaabos. Dann erfuhr die Familie, dass der türkische Großvater sie als Staatsangehörige der Türkei gemeldet hatte. Auf einmal hatten Miriyam und ihre Geschwister türkische Pässe – und Angst vor der Abschiebung. Die älteren Geschwister fielen unter den so genannten Libanesenerlass des ehemaligen Bremer Innensenators Kuno Böse (CDU), wonach in der Türkei gemeldete libanesische Flüchtlinge eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Doch den Erlass kassierte Böses Nachfolger Thomas Röwekamp (CDU). Ob Miriyam nächstes Jahr ihre Ausbildung beginnen kann, ist nun mehr als fragwürdig.

Auch die vier Kinder der kosovo-albanischen Familie Mustafa, seit acht Jahren in Bremen zu Hause, haben kaum Erinnerungen an ihre Heimat. „Wir sind hier integriert, mein Vater hat einen Job, Sozialhilfe brauchen wir nicht“, sagt der 16-jährige Liridon, ältester Sohn der Familie. Bis September hatten die Mustafas eine Aufenthaltsbefugnis. Jetzt aber habe sich die Situation im Kosovo verbessert, schreibt die Ausländerbehörde. Die Familie soll abgeschoben werden.

„Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge in Bremen“, das ist die Hauptforderung des Bremer Flüchtlingsrats. Gestern haben die Mitglieder dem Bremer Innensenator Thomas Röwekamp 1.000 Unterschriften überreicht. Die Unterzeichner fordern eine Härtefallkomission. Das wollen auch die Bremer Grünen, die nächste Woche einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft einbringen werden. Der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner macht sich aber wenig Hoffnungen. „Die Härtefallkommission wird am Widerstand der CDU scheitern“, glaubt er.

Im Rot-Grünen Schleswig-Holstein gehen die Uhren anders. Eine Härtefallkommission gibt es dort schon seit 1996. „Wenn am 1. Januar das Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt, bekommt die Kommission erstmals eine gesetzliche Grundlage“, erklärt Norbert Scharbach, Leiter der Abteilung für Migrationsfragen im Kieler Innenministerium. Bis dahin schiebt Schleswig-Holstein keine Flüchtlinge ab, die ab nächstem Jahr potenzielle Härtefälle sein könnten. Familien wie die Mustafas und die Chaabos hätten in Schleswig-Holstein gute Chancen, als Härtefälle anerkannt zu werden und das Bleiberecht zu erhalten. „Wenn Flüchtlingskinder in Deutschland aufgewachsen und hier integriert sind, spricht viel dafür, dass die Familien bleiben dürfen“, sagt Scharbach.

Die Chaboos und die Mustafas müssen nun weiter zittern. Dass der grüne Antrag, obwohl von den Sozialdemokraten unterstützt, in der Bürgerschaft durchkommt, glaubt SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen nicht: „In dieser Frage ist Senator Röwekamp ziemlich starrköpfig.“