Sri Lankas Friedensprozess steckt fest

Zwar hält der Waffenstillstand zwischen Regierungstruppen und den Rebellen der Tamil Tiger noch, doch unter den Tamilen tobt ein blutiger Machtkampf. Und eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche ist nicht in Sicht

DELHI taz ■ Der norwegische Unterhändler für die srilankischen Friedensgespräche, Erik Solheim, hat kürzlich das Klima in dem südasiatischen Land als das einer „weitverbreiteten Frustration“ bezeichnet. Denn erneut musste Solheim die Insel verlassen, ohne einen Durchbruch zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den separatistischen Rebellen der Tamil Tiger (LTTE) erreicht zu haben.

Hatten die Friedensgespräche vor zwei Jahren einen überraschend positiven Verlauf, schlitterten sie sechs Monate später in eine Krise, aus der Norwegens Vermittler sie bisher nicht herausziehen konnte. Im Gegenteil, weitgehende Autonomie-Forderungen der LTTE für eine „Interim Self-Governing Authority“ (ISGA) führten zur Verhärtung unter der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit. Dies trug zum Wahlsieg der Opposition bei, die der LTTE weit misstrauischer begegnet als die Vorgängerregierung. Die Revolte des LTTE-Kommandanten Karuna Muralitharan im Osten verschärfte im letzten März die Gereiztheit der Rebellen und gefährdete den Waffenstillstand, der – als beinahe einziger Pluspunkt – seit nun 30 Monaten hält.

Frustriert sind nicht nur die Norweger, sondern auch die Regierung unter Präsidentin Chandrika Kumaratunga und ihre tamilischen Widersacher. Die wachsende Nervosität der Regierung ist ein Reflex der wirtschaftlichen Probleme des Landes. Kumaratunga muss ihr Wahlversprechen einlösen, etwas gegen die Stagnation vor allem in der Landwirtschaft zu tun. Angesichts der Staatsverschuldung kann dies nur mit Investitionen des Privatsektors geschehen. Doch gerade ausländische Gelder werden nicht fließen, solange der Friedensprozess an einem derart dünnen Faden hängt.

Auch die Tamil Tiger sind unter Druck. Der Waffenstillstand vom Februar 2002 hatte im tamilischen Norden des Landes Hoffnungen auf ein Ende des zwanzigjährigen Bürgerkriegs und einen wirtschaftlichen Neubeginn keimen lassen. Die internationale Gemeinschaft hatte im Juli 2003 in Tokio großzügige Hilfe für den Wiederaufbau versprochen. Die Dollar-Milliarden wird es aber erst nach einem Friedensabkommen geben.

Die LTTE hat in den letzten zwei Monaten ihre Maximalforderungen denn auch etwas gemäßigt. Ihr Politkommissar, S. P. Tamilchelvam, äußerte Anfang des Monats, die Autonomieforderungen in Form des ISGA seien ein Verhandlungsgegenstand. Bisher hatten die Tamil Tiger die Annahme des ISGA zur Vorbedingung für Gespräche gemacht.

Auch die Regierung ist bemüht, das gegenseitige Misstrauen abzubauen. Präsidentin Kumaratunga entschuldigte sich im Juli im Namen des Staats für das Massaker an Tamilen in Colombo, das 1983 den Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Gleichzeitig ist sie aber eine Gefangene ihrer früheren Anti-LTTE-Rhetorik, die es schwierig macht, mit den Rebellen am gleichen Tisch zu sitzen, ohne das Gesicht zu verlieren. Dies gilt in noch stärkerem Maß für ihren Koalitionsparter JVP, der noch vor wenigen Monaten jeden Kontakt mit der LTTE verurteilt und sich für eine militärische Lösung stark gemacht hatte. Heute ist Kumaratunga so weit, die LTTE als Verhandlungspartner zu akzeptieren.

Diese positiven Signale werden aber immer wieder durch Schüsse übertönt. Gerade die LTTE kehrte wieder zu ihrer alten Taktik politischer Morde zurück. Diese richten sich zwar durchweg gegen tamilische Gegner und nicht gegen die Vertreter des Staates, verletzen aber den Geist des Waffenstillstandsabkommens. Dies gilt namentlich für Morde von Vertretern anderer Tamilen-Parteien, namentlich der EPDP.

Doch auch die Armee ist nicht unschuldig. Die Regierung musste im letzten Monat zugeben, dass „Teile der Streitkräfte“ ihre Hand im Spiel hatten, als sich im März der LTTE-Kommandant Karuna von seiner Führung lossagte, auch wenn dies „nicht offiziell“ sanktioniert gewesen sei. In der Folge wurden eine Reihe von LTTE-Kadern erschossen, vermutlich von Karuna-Leuten. In den letzten Wochen drehte die LTTE allerdings den Spieß um. Bei mehreren Überfällen wurden in Colombo neun Männer erschossen, die mutmaßlich zur Karuna-Faktion gehörten oder im Sold von Geheimkommandos der Armee standen. Und letzte Woche tötete ein LTTE-Sonderkommando nach eigenen Angaben Karunas älteren Bruder und Stellvertreter bei Batticaloa.

BERNARD IMHASLY