Ein Springbrunnen mit LSD-Beigaben

Im vergangenen Jahrzehnt avancierte London wieder zur Metropole zeitgenössischer Kunst, doch die wichtigen Handelsschauen fanden woanders statt. Mit der „Frieze Art Fair“ könnte das jetzt anders werden: Die Kunstmessen auf dem Kontinent haben damit eine ernsthafte Konkurrenz bekommen

von MARION LÖHNDORF

Vor allem in Berlin hatte es Wirbel gegeben. Eine Reihe deutscher Galerien verzichtete auf die Teilnahme an den Messen in Berlin oder – später in diesem Monat – in Köln, um nach London kommen zu können: ein Vorgang, der selbst von der englischen Presse zur Kenntnis genommen wurde. Überhaupt waren die Deutschen stark repräsentiert auf der Frieze Art Fair, die am Freitag in Londons Regent’s Park eröffnet wurde und am Montag zu Ende ging. Unter den 124 Galerien, die auf der Messe vertreten waren, kamen allein 25 aus Deutschland.

Keine Frage: Die Kunstmessen auf dem europäischen Festland haben mit der ersten großen internationalen Kunstmesse Londons eine starke Konkurrenz bekommen. Organisiert wurde die Frieze Art Fair von Matthew Slotover und Amanda Sharp, den Herausgebern des Kunst-Magazins Frieze, das der Messe seinen Namen gab. Schon am ersten Messetag war die Resonanz bei den deutschen Telnehmern positiv: Die Berliner Galeristin Barbara Wien lobte den Kenntnisreichtum der Veranstalter, der sich im Katalog der Messe niederschlage. Und auch ihre Kollegin Barbara Thumm rühmte die Organisation: „Die Messe hier wird von Leuten gemacht, die mit Kunstvermittlung zu tun haben.“ Insgesamt priesen die Kunsthändler die hohe Qualität der ausgestellten Arbeiten: ein Eindruck, der sich beim Rundgang über die Messe bestätigte. Es gab ein breites Spektrum internationaler Kunst von Neo Rauch bis Tracey Emin, von Gerhard Richter über William Kentridge bis Elizabeth Peyton.

In mancher Hinsicht wurden Unterschiede zu den großen europäischen Kunstmessen deutlich. So stellte die Tate Gallery ein Budget von 100.000 Pfund bereit, das ihren Kuratoren den Kauf von Kunstwerken auf der Frieze Art Fair erlaubt. Laut Frieze Art arbeiten hiermit zum ersten Mal eine Kunstmesse und ein Museum zusammen. „Die Qualität der teilnehmenden Galerien ist höher“, hieß es bei Meyer Riegger aus Karlsruhe und bei Aurel Scheibler aus Köln: „London ist jünger und dynamischer.“

Dieser Eindruck entstand nicht zufällig. Amanda Sharp und Matthew Slotover wollten die 1,3 Millionen Pfund teure Londoner Messe anders aussehen lassen als die anderen. „Sie soll mehr Eventcharakter haben als eine übliche Handelsmesse“, sagte Slotover auf der Pressekonferenz zur Eröffnung.

Dieser Anspruch zeigt sich schon in der Architektur des Messebaus im Regent’s Park, der von Slotover und Sharp in Auftrag gegeben worden war: Den zeltartigen Bau auf 11.000 Quadratmetern mit einer Kombination von Kunst- und Tageslicht entwarf David Adjaye. Die Messe selbst gab eine Reihe von Kunstwerken in Auftrag, darunter einen Springbrunnen („Public Fountain LSD Hall“) des deutschen Künstlers Klaus Weber, aus dem Wasser mit homöopathischen LSD-Beigaben plätscherte, sowie eine grüne Grasschanze („Slope“) von Paola Pivi, auf dem die Messebesucher herunterrollen durften.

Viele Sammler rollten nicht über Paola Pivis Rasen, aber jede Menge Kinder. Überhaupt war die Messe ein Publikumserfolg: Viele Besucher nahmen bis zu einer Stunde Schlangestehen in Kauf.

Viele Galeristen dagegen, so schien es, waren vor allem neugierig und betrachteten die erste Londoner Kunstmesse als Probelauf. „Mal sehen, ob wir wiederkommen“, hieß es am ersten Messetag von der Berliner Galerie Neu. Auch bei der Berliner Galerie Neugeriemschneider, die mit Werken von Franz Ackermann und Olafur Eliasson nach London kamen, war man sich nach dem ersten Messetag noch nicht sicher: „Wir repräsentieren Künstler und keine Städte.“ Die Kölner Galeristin Gisela Capitain, die Franz-West-Arbeiten mitbrachte, wies darauf hin, dass auf einer ersten Messe die Stimmung immer besonders gut sei. „Auch Berlin startete stark und bröckelte dann“, sagte ihre Berliner Kollegin Barbara Wien.

Barbara Thumm, die als Repräsentantin von Stars der englischen Kunstszene wie Julian Opie und Fiona Banner per se „eine gute London-Verbindung“ hat, gab zu bedenken, dass London nicht unbedingt ein Verkaufsstandort für Sammler ist. Tatsächlich galt London lange als Talentpool für zeitgenössische Kunst. Im Fahrwasser der Young British Artists wie Damien Hirst und Tracey Emin, die in den Neunzigerjahren Furore machten, sowie der Eröffnung der Tate Modern avancierte London innerhalb eines Jahrzehnts zur zeitgenössischen Kunstmetropole. Aber die wichtigen Handelsschauen fanden stets anderswo statt.

Noch gilt London – anders als Basel mit der größten europäischen Kunstmesse – nicht als etablierter Sammler-Standort. Liest man die Zeichen aber richtig, dürfte sich das bald ändern. Neben profilierten englischen Galerien wie Maureen Paleys Interim Art (sie vertritt etwa Wolfgang Tillmans), White Cube (Damien Hirst), Sadie Coles (Sarah Lucas), Lisson (Donald Judd) und Victoria Miro (Chris Ofili) haben eine Reihe von Galerien aus den USA und dem europäischen Festland in London Niederlassungen eröffnet – darunter die bedeutende amerikanische Galerie Gagosian, die Schweizer Großgaleristen Hauser und Wirth und die Deutschen Sprüth Magers Lee.

„Es gibt hier mehr Sammler, als man glaubt“, sagt Amanda Sharp, Co-Direktorin von Frieze Art. „Die Leute hier sind einfach diskret, das ist alles.“