Brutal und böse

Die Welt ist eine Kugel (5): Der Flipper „Star Trek“ im „Alptraum“ ist ein Albtraum. Dafür ist das Bier billig

„Star Trek: The Next Generation“ ist ein gnadenloser Flipper! Er ist ungerecht, brutal und böse. Was nützt ein Kickback im linken Kugelauslauf, wenn die Bälle stets rechts verschwinden? Ach, es ist ein Ärgernis, denn der Flipper könnte so viel Freude stiften, er hält so viele Möglichkeiten bereit, verheißt so viel Thrill! Zum Beispiel Battle Simulation: Eine von neun Missionen, bei der die Aufgabe darin besteht, die rotierende Bordkanone so abzufeuern, dass die Kugeln das Mittelloch oder die Neutrale Zone treffen. Ein herrlicher Spaß – und für sechs Treffer erhält man sogar einen Extraball. Oder der rasante Shuttle Simulation-Videomode, in dem man einen Raumgleiter heil durch ein Tunnellabyrinth lenken muss. Oder Final Frontier, ein, man mag es kaum schreiben, sagenhafter sechsfacher Multiball! Oder oder oder … doch blau ist alle Theorie. Auch der dritte letzte Ball rollt wirkungslos ins rechte Aus. Ach, ich möchte den Ausgang zunähen, verstopfen!

Im neuen, unsäglich törichten Rammstein-Video („Ah-Mär-Rih-Kah, Ah-Mär-Rih- Kah, Koh-Kah-Koh-La, Wonn-Der-Brahrr!“) spielt Sänger Till Lindemann in einer Mondkulisse ebenfalls an einem Star-Trek-Flipper, allerdings an dem Bally-Modell zur Classic-Reihe aus dem Jahre 1978 – eine echte Rarität! Viel verbreiteter hingegen ist die unbarmherzige 94er „Next Generation“- Apparatur von Williams, die mir schon so manches Zeitungshonorar aus den Rippen geschnitten hat. Doch wenigstens muss der Ungerechte viel erleiden: „Star Trek: The next Generation“ ist einer der reparaturanfälligsten Flipper, und häufig begegnet man in Kneipen- und Spielotheken leblosen, vom Stromnetz getrennten Geräten, die in schummrigen Ecken unbeachtet vor sich hinsiechen. Doch trotz des Kummers und der Pein, die er und seine Artgenossen mir schon zugefügt haben, empfinde ich bei diesem Anblick keine Triumphgefühle – im Gegenteil!

Kerngesund und immer kampfbereit präsentiert sich der TNG-Flipper im Café Alptraum in Kreuzberg 61. Einfach die Katzbachstraße hoch, vorbei an dem Bücherschaufenster von Iris Rudolph und dem asiatischen Kochstudio, stößt man nach ein paar Metern auf die Lokalität, in der gleich zwei Flipperautomaten (außerdem: The Twilight Zone) den Münzeinwurf ersehnen. Hinten in der schlecht beleuchteten Ecke, gegenüber der abgewrackten Sitzbankecke, die mitunter sehr üble Gerüche absondert. Das Café Alptraum ist riesengroß, und die Wände und Decken sind mit einer einzigen Plakatcollage tapeziert. Die Musik ist entweder aus oder viel zu laut, bei jedem Besuch ertönen ein paar Lieder von Cream – die Zahlungswilligen können aber auch an einer Jukebox ihre eigene Lärmkulisse bestimmen. Zur Auswahl stehen „Platin – Das große Album der Megastars Vol. 3“, Marianne Faithfulls „Broken English“ und ein Album, auf dem Mark Knopfler mit einer Person musiziert, die George W. Bush verblüffend ähnelt.

Auch auf den Toiletten, deren Beleuchtung durch Lichtschranken reguliert wird, erschallt Musik. Das Bier ist gut und günstig, die Bedienung nett, aber leider eine der langsamsten Zapferinnen der Welt: Vielleicht sollte man auf Flaschenbier umsteigen? Übrigens besitzt das Café Alptraum auch noch ein Pendant in Neukölln, ebenfalls mit zwei Flippern, doch davon demnächst mehr. Ich muss jetzt weiterspielen und opfere ein zweites Euro-Stück. Und verdammt, ich habe immer noch nicht mein Bier bekommen! MARC DEGENS

Flipper: „Star Treck: The Next Generation“ von Williams. Ort: Café Alptraum, Katzbachstraße 17, Kreuzberg