Hübsch hymnesk zwischen Melancholie und Euphorie: „David & The Citizens“ im Molotow
: Der Revolver im Rücken der Melodie

„Wie gerne würde ich jetzt in Schweden sein / weil jeder Schwede tanzt und singt / und pausenlos das Tanzbein schwingt.“ Besser als Die Ärzte aus Berlin (Erfinder von Punk und Jazz) kann man es nicht beschreiben, das Kleinod Skandinaviens, die Heimat Zlatan Ibrahimovics (Europas größtes Stürmertalent), die Geburtstätte von Abba und Ikea: Schweden. Schade, dass sie hierbei nicht an David & The Citizens gedacht haben – dabei passt es so gut. Denn die Musik der fünf Schweden ist nichts anderes als der hundertprozentige Soundtrack zu dieser Zeile – beziehungsweise andersherum.

Doch von vorne: Hierzulande sind David & The Citizens nur Insidern bekannt. Die ein oder andere ausgedehnte Tour durch manche Provinz hat sie zu Geheimtipps der ansässigen Indie-Szenen avancieren lassen. In Internetforen überschlagen sich die Wellen der Begeisterung – unter der Beteiligung von ungefähr zehn Nerds, die ihre Favourites auflisten und Konzerterlebnisse schildern.

Doch jetzt hat sich auch das neu gegründete Label des Hamburger Kiezklubs Molotow – Molotow Records – der euphoriegeladenen Melodiemusik von David & The Citizens angenommen. Gerade ist, als dritter Release des Labels überhaupt, Until The Sadness Is Gone erschienen, der zweite und aktuelle Longplayer der Band, die in Schweden und Dänemark regelmäßig auf allen großen Festivals spielt, renommierte Preise abräumt und die MTV-Charts anführt. Anders als hier.

David Fridlund indes, Sänger, Texter, Komponist und Gründer des Quintetts, findet Gefallen an Deutschland: „Einige Städte sind so heruntergekommen wie Geisterstädte. Ganz anders als das ‚saubere und pure Schweden‘“.

Interkultureller Austausch wird aber auch musikalisch groß geschrieben: Wer US-amerikanische Songwriter schätzt, wem Lennon/McCartney‘sche Hyperharmonien liegen, wer Reggae nicht nur wegen der THC-Kompatibilität mag, wer, so David Fridlund, „Musik hört und fühlt“, der kann mit Until The Sadness Is Gone glücklich werden.

Die größte Anerkennung sei indes nicht von Riesenpublikumsmassen oder Mainstreammusikkanälen gekommen, sondern, so erzählt David Fridlund gerührt, von einem einzigen Mädchen. Ihre Mutter war gerade gestorben, und erst ein Konzert von David & The Citizens hätte sie wieder etwas fühlen lassen.

Und dafür ist diese Musik auch gemacht: Eine Melodie kann noch so ausgelassen und fröhlich sein, hinter ihr stehen die vier Revolverhelden Hass, Angst, Ekel und Zweifel und fordern ihre 15 minutes of fame. Immer dann, wenn ein Song gerade alle gar nicht für existent gehaltenen Glückshormone freigesetzt hat, kommt der nächste, der das Herz in der Luft zerreißt: Beendete Beziehungen (beendet natürlich von ihr). Freunde, auf die man sich nicht verlassen kann. Freunde, auf die man sich verlassen kann. Frauen, die nie wieder zurückkommen.

Dann setzt David Fridlund sich hin und schreibt ein Lied, das das ganze Unglück dieser Welt in einer enttäuschten Affäre besingt. Dabei ist er selbst kein unglücklicher Mensch, sondern einer, der genau das macht, was er immer machen wollte. Nach fünf Jahren Kunststudium (siehe die Coverzeichnungen aller David & The Citizens-Veröffentlichungen) „würde ich es hassen“, sagt er, „einen regulären Job zu haben oder eines Tages auf mein Leben zurückzuschauen, ohne irgendetwas von dem getan zu haben, wovon ich immer geträumt habe.“

Glücklich ist, wer dem entfremdenden Kapitalismus ein Schnippchen schlagen kann. Und glücklich mag auch werden, wer dabei zuhören kann. Heute beginnen David & The Citizens ihre Deutschlandtournee in Hamburg. Robert Best

Donnerstag, 21 Uhr, Molotow