NS-Verbrechen, Tatort Köln

Sabine Würich zeigt im EL-DE-Haus ihre Fotodokumentation über „Spuren nationalsozialistischer Verbrechen in Köln“. Acht Fotos werden auch direkt an den Tatorten in der Stadt aufgehängt

Von JÜRGEN SCHÖN

Zwei mal drei Meter misst das Schwarzweißfoto, das auf dem Mittelstreifen vor dem Kölner Hansahochhaus auf einem Gerüst aufgezogen wurde. Es zeigt das Haus, vom benachbarten Bahngleis aus fotografiert. Darunter knappe Worte: „Zwangsarbeiterlager. Büro- und Geschäftshaus. Heute Büro- und Geschäftshaus, Hansaring 97, Neustadt-Nord“. Eigentlich hätte dieser Hinweis auf den dunklen Teil der Geschichte des Backsteinbaus direkt an dem Haus befestigt werden sollen. Doch die Hausverwaltung war dagegen.

Das Foto ist eins von acht Großfotos, mit denen die Künstlerin Sabine Würich bis zum 18. November im öffentlichen Raum an die „Tatorte“ der nationalsozialistischen Diktatur in Köln erinnern will. Über 200 hat sie recherchiert, 100 fotografiert, 40 davon zeigt sie ab morgen in einer Ausstellung im EL-DE-Haus. Es sind keine „spektakulären“ Fotos, die etwa auf ausgefallene Perspektiven setzen. Menschen fehlen darauf ebenso wie Autos. „Ästhetische Dramatik stört“, begründet Würich ihr Konzept, „die Geschichte des Ortes reicht“.

Würich stellte so eine umfassende Dokumentation über „Spuren nationalsozialistischer Verbrechen in Köln“ zusammen. Viele sind schon lange bekannt, etwa die Gestapozentrale im EL-DE-Haus oder die Messe, von der aus die Deportationszüge in den Osten gingen. Auf andere Orte gab es lediglich Hinweise wie „da war ein SA-Lokal“. Die Fotografin wertete die Quellen systematisch aus und konnte einige Stätten auch genauer lokalisieren. So fand sie heraus, dass Zwangssterilisationen im OP der heutigen Klinik für Nuklearmedizin stattfanden. Bisher war als „Tatort“ allgemein die Universitätsklinik Köln angegeben worden.

„Viele Kölner wissen nicht oder wollen nicht wissen, wie viele solcher Tatorte es in ihrer Nachbarschaft gab“, sagt Würich. Etwa das Haus an der Ecke Maybach-/Lübecker Straße: einst ein SA-Lokal, in dem nach der Machtergreifung gezielt Kommunisten gefoltert wurden. Oder das Wohnhaus Friedenstraße 16: Hier war eine NSDAP-Geschäftsstelle, in der Regimegegner zusammengeschlagen wurden.

Mit ihren Großfotos geht Würich bewusst an die Öffentlichkeit, sie will zeigen, dass es solche Orte in ganz Köln gab. Zugleich stehen die Fotos für alle Opfergruppen: Juden, Roma und Sinti, Homosexuelle, Regimegegner. Dass ein Hausbesitzer das Großfoto nicht direkt vor seinem Fenster haben wollte, weil dadurch sein Zimmer verdunkelt wurde, kann Würich verstehen. Keine Probleme, sagt sie, machte die Deutsche Bahn an der Hohenzollernbrücke. Dort stand in den 30er Jahren ein Pissoir, ein Treffpunkt für Schwule, wo es regelmäßig zu Verhaftungen kam. Auch in Ehrenfeld gab es keinen Ärger, wo ein Foto an die Hinrichtung der Edelweißpiraten erinnert.

Schwierigkeiten dagegen gab es mit der Koerfer‘sche Verwaltungsgesellschaft mbH, die ihr Büro im Hansaring 97 hat. Adrian Stellmacher von der „Arbeitsgemeinschaft Messelager“, die die Patenschaft für das Hansahochhaus-Foto übernommen hat, versteht die Ablehnung nicht. „Wenn wir mit ehemaligen Zwangsarbeitern der Reichsbahn das Haus besuchen wollten, in dem sie damals untergebracht waren, hat es nie Schwierigkeiten gegeben“, sagt er. „Aber jetzt kam die lapidare Antwort, man wolle dieses Projekt nicht unterstützen.“ Auch ein persönliches Gespräch habe nichts gebracht. „Ich habe den Eindruck, dass man nicht bereit ist, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen“, meint Adrian Stellmacher. Für die taz war bei Koerfer kein Mitarbeiter für eine Stellungnahme zu erreichen.

„Das Gedächtnis der Orte –Spuren nationalsozialistischer Verbrechen in Köln“: EL-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25, bis 14.11., Di-Fr 10-16 Uhr, Sa und So 11-16 Uhr, Katalog 19 Euro