Tote bei Demonstrationen in Baku

Ausschreitungen nach manipulierter Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan. Ilham Alijew mit angeblich 80 Prozent gewählt. OSZE: Internationale Standards verletzt

MOSKAU taz ■ Im Zentrum der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku starben nach mehrstündigen Straßenschlachten mindestens zwei Menschen, einige hundert wurden zum Teil schwer verletzt. Die brutalen Szenen lassen indes vermuten, dass die Zahl der Opfer noch weit höher ist. Auf das hohe Maß latenter Gewaltbereitschaft hatten Beobachter des Europarates schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen hingeweisen und die politische Führung vor massiven Wahlmanipulationen gewarnt.

Der seit zwölf Jahren herrschende Alijew-Clan schlug indes alle Hinweise in den Wind. Mit 80 Prozent Zustimmung gewann Ilham Alijew, der Sohn des siechen Präsidenten Gaidar Alijew, den Urnengang. Als nächster Kandidat folgte Issa Gamber von der Mesavat-Partei mit 12 Prozent. Das wären 300.000 Stimmen gewesen. Zuvor hatte die Opposition allein auf der Abschlusskundgebung in Baku vor den Wahlen 100.000 Anhänger versammeln können.

Die herrschende Partei Yeni Aserbaidschan beschuldigte die Opposition: Radikale Oppositionelle hätten nicht nur versucht, die Wahlergebnisse zu verändern, nun würden sie auch noch mit Gewalt die Macht an sich reißen wollen.

Anscheinend wäre die massive Manipulation der Wahlkommission gar nicht nötig gewesen, um die Dynastie der Alijews weiter an der Macht zu halten. Nach Aussagen recht verlässlicher Quellen hätte der Alijew-Spross ohnehin zwischen 55 und 60 Prozent Zuspruch erhalten. Für Issa Gamber hätten 25 bis 30 Prozent gestimmt.

Beobachter der OSZE kritisierten, dass die Wahlen den internationalen Standards nicht entsprochen hätten. Noch nie hatte die Organisation bisher in dieser Deutlichkeit die Wahlmauscheleien eines Mitgliedsstaates öffentlich kritisiert.

Ilham Alijew eröffnet eine neue Ära mit alten Methoden. Dass der den Frauen und dem Glücksspiel verfallene Hoffnungsträger am Kaspischen Meer fließend Englisch spricht, macht aus dem 41-Jährigen noch keinen Demokraten. Seine Ausbildung hatte er an Moskaus kommunistischen Kaderschmieden erhalten. Und auch zu Hause regierte ein Potentat, Vater Alijew begann seine Karriere als Mitarbeiter des Geheimdienstes KGB. Washington hielt sich mit Kritik auffallend zurück. Dort gilt Ilham als ein verlässlicher Verwalter US-amerikanischer Erdölinteressen.KLAUS-HELGE DONATH