fußpflege unter der grasnarbe
: Ein Brief an Klaus Allofs

Lieber Klaus Allofs,

es war gegen Ende der Sommerpause, da rief in der Geschäftsstelle des SV Werder ein leicht verwirrter junger Mann an. Er verlangte, umgehend mit „Herrn Allofs“ zu sprechen. Ihre Sekretärin fragte, um welche Angelegenheit es sich handele. Und mit wem sie spreche. Dann läutete Ihr Apparat, Herr Allofs, die Dame meldete einen nuschelnden jungen Herrn aus Syke. Der wollte sich dringend mit Ihnen über wechselwillige schwedische Fussballer unterhalten. Sie lehnten dankend ab. Und gingen zur Tagesordnung über. Zwei Wochen später unterschrieb Celtic Glasgow-Hero Henrik Larsson beim FC Barcelona. Kurz vor Saisonbeginn wechselte Zlatan Ibrahimovic von Ajax Amsterdam zu Juventus Turin. Und Werder freut sich nun über 0:2-Niederlagen in der Po-Ebene oder zittert ein wenig vor spanischen Fledermäusen.

Derweil vergeht kein schwedisches Frühstück mehr ohne Zlatan oder „Henke“, wie sie den glatzköpfigen Ex-Rastafari und mehrfachen Familienvater liebevoll von Malmö bis Kiruna nennen. Wenn nicht großletterbalkig umschmiert auf den Tabloids von Aftonbladet oder Expressen, dann lachen die beiden Wechsler wenigstens seriös vor- und zurückanalysiert aus einem halben Quadratmeter Dagens Nyheter. Larsson ist dabei der Gute, ihm würden alle schwedischen Eltern die Haustürschlüssel geben, wenn sie sich am Wochenende betrinken gehen. Ein echter Rune Bratseth, wenn Sie wissen, was ich meine, Herr Allofs.

„Zlatan“ hat die Rolle des schnöseligen Jungstars. Einen Nachnamen gestehen die Blätter dem Migranten-Kind aus Malmös' Betonvorstadt Rosegård eher selten zu. Seine Zugkraft vor dem Tor verdankt er angeblich Ghettoclinch und Machoritualen. Er tritt seine Gegenspieler um und hilft ihnen nicht hoch, sagt man so. Spielt er in gelb-blau mit drei Kronen auf der Brust, reibt sich das Publikum an ihm: Von „Nimm deinen Dreck mit nach Malmö, wir sind hier in Göteborg“ bis „Er ist schnell. Er ist stark. Er ist gross und genial. Er muss ein echter Schwede sein.“ Riecht irgendwie nach Mario Basler, wie?

Sie sind Daily-Soap, Nationalhelden und Royalty-Ersatz in einem. „Warum darf Zlatan keine Interviews geben?“ ; „3:1 gegen Celtic – hat Henke geheult?“ ; „Del Piero und Ibra, geht das?“ In Schwedens Strassenfußballarenen wird es bunt: Ajax spielt mit Barca gegen Celtic und Juve, der Rest ist eine gesamtschwedische Auswahl in den Trikotgrössen 146 bis 176. Auf dem Rücken kann es nur zwei geben: Ibrahimovic-Gang gegen Larsson-Clan. Das schwedische Königshaus soll bereits auf geringfügige Veränderung der Reporter-Aufmerksamkeit gedrungen haben. Denkste! Carl Gustaf und Silvia sind irgendwie nicht halb so interessant.

Herr Allofs. Schon in der vorigen Saison ignorierten Sie unglaubliche Absatzmöglichkeiten des grün-weiß-orangen „Papagei“-Trikots auf dem irisch-republikanischen Markt, auch dieses Mal wurde die Chance vertan. Die Zeit, in der Skandinavier oder Aushilfsrambos bei Werder zu Stars wurden, ist wohl vorbei. Pasanen? Lagerblom? Das sind ja Finnen. Jensen? Verletzt. Henke und Zlatan kommen vermutlich erst in Deutschlands Norden, wenn sich Sveriges Fotbollslandslaget für die WM 2006 qualifiziert. Was nicht im Bereich des Unmöglichen liegt. Und nach Bremen? Wenn Werder im Champions-League-Achtel-, Viertel-, Halbfinale auf Barca oder Juve trifft. Was nicht im Bereich des, ... äh, lassen wir das. Jedenfalls viel Glück gegen Valencias Flattermänner, und bis zum nächsten Mal, lieber SVW und lieber Herr Allofs. Vielleicht wollen sie sich ja dann mit mir über schwedische Fußballspieler unterhalten.