Pillen-Cocktail im Trinkwasser?

Die Wirkung von Antibiotika lässt nach. Was Arzneimittel im Trinkwasser damit zu tun haben könnten, diskutierten kürzlich Wissenschaftler aus ganz Deutschland in Bremen

Wenn aus einem männlichen Fisch auf einmal ein weiblicher wird, ist mit dem Wasser irgendwas nicht in Ordnung. Genau diese Beobachtung haben Wissenschaftler aber in verschiedenen deutschen Gewässern gemacht. Das Problem: Viele Oberflächengewässer sind mit Hormonen verseucht, die in Form von Arzneimittelrückständen – Stichwort Antibabypille im Trinkwasser – vor allem aus Privathaushalten ins Abwasser gelangen.

Wie viele dieser Reststoffe im Trinkwasser auftauchen und ob sie eine Gefahr für den Menschen darstellen, darüber ist sich die Wissenschaft uneins. Festzustellen sei aber, so heißt es in einer Einschätzung des Instituts für Umweltverfahrenstechnik der Uni Bremen, dass Antibiotika beim Menschen immer weniger wirken. Es bilden sich Resistenzen. Den Grund dafür sehen die Bremer Forscher darin, dass auch Antibiotika-Rückstände über Stuhl und Urin ins Abwasser gelangen. Vergangene Woche diskutierten in Bremen auf Initiative des Instituts für Umweltverfahrenstechnik Experten aus ganz Deutschland über das Problem pharmazeutischer Reststoffe in Abwässern.

„Die Diskussion ist vergleichsweise neu“, sagt Dr. Cornelia Haase vom Institut. Das Problem sei allerdings ein altes. Da die Analysemöglichkeiten aber immer besser würden, habe man die Arzneimittelrückstände im Abwasser erst vor einigen Jahren feststellen können. Dass auch im Trinkwasser mancherorts ein Medikamenten-Cocktail enthalten ist, hält Haase für wahrscheinlich. Strittig sei nur, inwieweit dies eine Gefahr für den Menschen darstelle.

Auch Greenpeace nimmt das Thema ernst. Problematischer als die Rückstände aus der Humanmedizin seien aber die Antibiotika aus Tierarzneimitteln. Die kommen mit der Gülle aufs Feld, wo sie Böden und Wasser belasten, erklärt Greenpeace-Chemieexperte Manfred Krautter. Was Arzneireste aus Privathaushalten angeht, schlägt Krautter vor, mehr Toilettensystemen mit geschlossenen Wasserkreisläufen einzubauen.

Gisela Müller kam extra aus Franken angereist, um sich die Vorträge auf dem Bremer Kongress anzuhören. Als Gesundheitsberaterin beschäftigt sie sich schon seit Jahren mit dem Thema. Die Lösung des Problems hat sie für ihren Haushalt bereits gefunden. Zum Preis von rund 1.900 Euro ließ sie eine Filteranlage vor ihre Wasserleitung setzen. Neben Herbiziden, Pestiziden und Schwermetallen werden durch das Prinzip der Umkehrosmose auch mögliche Arzneimittelrückstände aus dem Trinkwasser gefiltert. So zumindest versichert es die Firma, bei der Gisela Müller die Filteranlage gekauft hat.

Das mag Sven Hövelmann von der Bremer Uni nicht so recht glauben. Zwar sei die Umkehrosmose die feinste Stufe der Molekularfiltration. Doch gerade deshalb sei eine nach diesem Prinzip arbeitende Anlage mit erheblichen Kosten verbunden und für einen Privathaushalt kaum erschwinglich. Dass im Trinkwasser gewisse Gefahren für die Gesundheit lauern, glaubt auch Hövelmann. Für den Raum Bremen aber gibt der Umweltverfahrenstechniker Entwarnung. Arzneimittelreste seien vor allem dort ein Problem, wo Trinkwasser aus Uferfiltrat gewonnen werde. Dort seien die Wege von der Kläranlage zur Wiederaufbereitung bedenklich kurz.

„Unser Wasser ist rein“, das behauptet auch die SWB Enordia, die Bremen mit Trinkwasser versorgt. „Die Bremer Haushalte werden zu 100 Prozent mit aus Grundwasser gewonnenem Trinkwasser beliefert“, sagt SWB-Sprecherin Petra Gebe. Eine Untersuchung habe ergeben, dass das Wasser aus bremischen und niedersächsischen Quellen keinerlei Arzneimittelrückstände aufweise. „Mindestens einmal im Monat wird der pH-Wert geprüft.“ Gebe es eine Medikamentenbelastung, könnte man das daran ablesen.

Ebbe Volquardsen