Zerstört, zerstückelt

Die „Pole-Poppenspäler-Tage“ in Husum nahmen sich des versteckten Lebens der Anne Frank an: starke Bilder

Wie sieht Angst aus? Etwa so: Ein Lichtband, das über eine dunkle Fläche kriecht, immer länger wird. Denn Licht heißt Gefahr, heißt entdeckt werden – heißt das Ende für das Mädchen Anne Frank und ihre Familie, die sich in einem Hinterhaus vor den Häschern der Gestapo verbergen.

In einer „Theaterperformance mit Figuren, Objekten, Projektionen und Musik“ näherte sich Rudolf Schmid vom Berliner „Fliegenden Theater“ der Person der Anne Frank und ihrem „versteckten Leben“. Das Stück unter Regie von Edelgard Hansen war Teil des Figurentheater-Festivals „Pole-Poppenspäler-Tage“ in Husum.

Das Zentrum des Stücks bildeten Auszüge aus dem weltberühmten Tagebuch des Mädchens, die Schmid teils las und die teils aus dem Off eingespielt wurden. Der Text spricht für sich selbst – genau wie andere Dokumente, die collagenartig einflossen, etwa Aussagen des Auschwitz-Kommandanten oder NS-Propaganda.

Doch Schmid fand Bilder, die die Worte verstärkten: Während etwa eine martialisch-dröhnende Stimme die Gesetze verlas, die das Leben der Juden immer mehr einschränkten, beschnitt der Spieler eine Pappfigur.

Schließlich sank sie zerstört und zerstückelt zusammen, dem Schattenriss eines grotesken Tieres ähnlicher als einem Menschen – so, wie die Nazis die Juden sehen wollten.

Oder ein Hoffnungsbild auf der sonst düster in Braun und Schwarz gestalteten Bühne: Mit wenigen Pinselstrichen warf Schmid einen blauen Himmel auf ein weißes Blatt und ließ Anne als kleine Puppe davor tanzen.

Als die Stimmung der Eingeschlossenen sich verschlechtert, schreibt Anne, sie fühle sich wie „ein Vogel, dem mit harter Hand die Flügel ausgerissen wurden“.

Auch dazu fand Schmid ein Bild: Er ließ eine armlose Menschengestalt gegen die Stäbe eines angedeuteten, aber dennoch unüberwindbaren Käfigs anrennen.

Schatten, Licht, Musik – die live von Ulrich Wirwoll gespielten Töne untermalten eindrucksvoll das Geschehen auf der Bühne, imitierten heranrasende Flugzeuge oder knarrende Schritte auf dem Gang vor dem Versteck, wurden sanft bei dem jiddischen Trauerlied, mit dem Rudolf Schmid die Vernichtung der Juden in den KZs andeutete.

Anne Franks Leben als Collage aus Objekten und Bildern – eine insgesamt stimmige Aufführung, die die ZuschauerInnen mitnahm in die drückende Atmosphäre dieses „versteckten Lebens“ und die keine Sekunde lang der Gefahr der Marginalisierung des ernsten Themas erlag. Esther Geißlinger

bis 27. September, Infos unter: www.pole-poppenspaeler.de