Teheraner Drohgebärden Richtung Israel

Irans Außenminister warnt Israel vor möglichen Präventivschlägen gegen iranische Atomanlagen. Offiziell setzt Jerusalem noch auf Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Teheran. Doch mehren sich die Hinweise auf israelische Angriffspläne

Der Iran gilt nachdem Sturz Saddamsin Jerusalem als gefährlichster Feind

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Die klare Absage Teherans an die internationalen Forderungen, das Uran-Anreicherungsprogramm einzustellen, verschärft den Ton im In- und Ausland mit Blick auf einen möglichen israelischen Präventivschlag. Mit einer „sehr scharfen Reaktion auf jegliche Aktion Israels“ drohte am Mittwoch der iranische Außenminister Kamal Charasi. Offiziell setzt Israel vorläufig unverändert auf Sanktionen. Gegenüber UN-Generalsekretär Kofi Annan rief der israelische Außenminister Silvan Schalom diese Woche zu „vereinten Anstrengungen auf, um den Iran daran zu hindern, in den Besitz nuklearer Waffen zu kommen“.

Eine diplomatische Lösung sei zwar vorzuziehen, schreibt die liberale Tageszeitung Ha’aretz. Sollte das jedoch nicht möglich sein, „wird Israel dazu gezwungen sein, den iranischen nuklearen Rüstungswettlauf mit Gewalt zu unterbrechen“.

Der Iran hatte das von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) erteilte Ultimatum, bis zum 25. November sämtliche Aktivitäten zur Uran-Anreicherung einzustellen, abgelehnt. In Jerusalem hofft man, dass der UN-Sicherheitsrat über Sanktionen gegen Teheran entscheiden wird.

Der israelische Experte für nichtkonventionelle Waffen, Dr. Dany Shoham vom Begin-Sadat-Zentrum an der Bar-Ilan-Universität, glaubt indes nicht daran, dass internationaler Druck ausreichen wird. „Der Iran verfolgt seit Jahren die Entwicklung nichtkonventioneller Waffen und wird nicht auf die Atombombe verzichten.“ Sanktionen könnten lediglich die Entwicklung verzögern und dazu führen, dass die Uran-Anreicherungsanlagen „versteckt werden“. Schon in „ein bis zwei Jahren“ könnte die Entwicklung abgeschlossen sein. Eine „anfängliche operative Einsatzbereitschaft“ wäre dann eine Angelegenheit von nur noch wenigen Monaten.

Israels Regierung hatte wiederholt angekündigt, sie werde nicht zulassen, dass ein verfeindeter arabischer oder muslimischer Staat in den Besitz von Nuklearwaffen kommt. Der Iran gilt nach dem Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein in Jerusalem als gefährlichster Feind. Die auflagenstarke Ma’ariw zitierte dazu Irans Expräsidenten Haschemi Rafsandschani, der noch zu seiner Amtszeit die Gründung des Judenstaates als „schlimmstes Ereignis der Menschheitsgeschichte“ bezeichnet hatte.

Israel wisse, sich zu verteidigen, erklärte erst vor kurzem der ehemalige Mossad-Chef Dani Jatom. „Wir verfügen über sehr viele Möglichkeiten.“ Mit Blick auf die Bombardierung des noch im Bau befindlichen irakischen Reaktors „Osirak“ 1981 betonte Jatom, dass es keiner besonderen Fantasie bedürfe, „um sich vorzustellen, dass wir unsere Fähigkeit zu Präventivschlägen seither deutlich verbessert haben“.

Der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon kommentierte den Angriff als „vielleicht schwerste Entscheidung, mit der je eine (israelische) Regierung seit der Staatsgründung konfrontiert wurde“. Experten fürchten heute, dass ähnliche Aktionen im Iran zahlreiche Opfer mit sich bringen würden. Eine Entwaffnung des Iran wäre unvergleichlich problematischer, da „das iranische System viel diffuser ist als das irakische“, so Shoham. „Die Entwicklung findet in fünf, vielleicht sogar zehn Anlagen statt, die an verschiedenen Orten liegen.“ Mit der Lahmlegung einer Anlage könnte man das Ziel kaum erreichen, „außer, es liegt nachrichtendienstliches Material vor, dass die entscheidende Technologie an einem Ort konzentriert ist“.

Shoham hält einen Angriff zwar derzeit „nicht für wahrscheinlich“, dennoch für „grundsätzlich möglich“. Sollte es tatsächlich Pläne für einen Präventivschlag geben, würde indes „niemand darüber reden, um nicht das Überraschungsmoment zu verlieren“.

Berichten der Ha’aretz zufolge soll Israel in Kürze 5.000 Präzisionsbomben aus den USA geliefert bekommen, darunter 500 so genannte Bunkerbrecher, die bis zu zwei Meter dicke Mauern durchschlagen können. Der Bericht sagt nichts über eventuelle Einsatzmöglichkeiten. Experten halten die Bunkerbrecher für einen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen für geeignet.

Möglicher Indikator für einen Angriffsplan könnte zudem die Verteilung von Jod-Tabletten an die Bevölkerung in Dimona sein, wo die größte israelische Atomanlage steht. „Es wäre nur logisch, dass ein operativer iranischer Plan vorsieht, Raketen nach Dimona zu schicken“, meint Shoham. Das wäre eine Art „äquivalenter Gegenschlag“.