Mutige Friedensmutter

Von ihren Tschetschenien-Reisen hat Barbara Gladysch Kinderzeichnungen und Fotos mitgebracht. Zurzeit sind sie in der Düsseldorfer VHS ausgestellt

Wenn ich etwas Sinnvolles tue, hat die Angst keinen Platz mehr

AUS DÜSSELDORFNATALIE WIESMANN

In der Aula der Düsseldorfer Volkshochschule hängen Zeichnungen von russischen Panzern und Militärs, die die Bevölkerung bedrohen. Bomben, die gerade irgendwo abgeworfen werden, weinende Menschen neben ihren toten Angehörigen. Zeichnungen von jungen Tschetschenen, die betroffener und trauriger stimmen als jede fotografierte Kriegsszenerie.

Barbara Gladysch hat sie von ihren regelmäßigen Aufenthalten in Grozny und Inguschetien mitgebracht. Zwei Dutzende davon hat die 64-Jährige jetzt in der Landeshauptstadt ausgestellt. Daneben eigene Aufnahmen von fröhlichen, lebendigen Kindern vor zerstörten Gebäuden in Grozny oder in Flüchtlingslagern im benachbarten Inguschetien. In der Mitte des Raumes ein Zelt, in dem nonstop ein Kurzfilm läuft. „In solch einem Zelt können die Kinder in der Krisenregion Kind-Sein“, erklärt Gladysch. Sie dienten dort als Rehabilitationszentrum für traumatisierte Kinder. Roter Stern heißt das Projekt, das sie vor sieben Jahren mit einem Engländer zusammen initiiert hat und das jetzt von einheimischem Personal weitergeführt wird.

Als Mitglied der Organisation „Mütter für den Frieden“ sei sie 1996 von russischen Müttern gebeten worden, an einem Protestmarsch nach Grozny teilzunehmen. „Das kam meinen kühnsten Träumen nahe“, spricht die Pazifistin immer noch begeistert von diesem Erlebnis: Die Mütter seien zu den Panzern gelaufen, hätten ihre Söhne dort runtergeholt und weiße Fahnen gehisst. Als Wahlbeobachterin nahm Gladysch an den ersten freien Präsidentenwahlen 1997 und am vorübergehenden Frieden teil. In dieser Zeit habe sie in den Trümmerlandschaften Groznys zum ersten Mal kriegstraumatisierte Kinder gesehen. „Manche hatten aufgehört zu sprechen, andere hatten schon richtige Ticks entwickelt“, erzählt sie. Zurück in der Heimatstadt Düsseldorf hat sie Spenden gesammelt und Hilfstransporte organisiert. In ihren Ferien half sie das Projekt „Roter Stern“ in Grozny bekannt zu machen.

Angst habe sie nie gehabt, sagt Gladysch. „Nur mein Mann bangt immer um mich.“ Wenn sie etwas für sinnvoll und richtig halte, hätte die Angst keinen Platz mehr“, sagt sie ziemlich glaubwürdig. Ihr Glaube (“ob Allah oder Gott, weiblich oder männlich, ist mir egal“) unterstütze sie zudem bei ihren Reisen. „Manchmal gebe ich auch Weisungen nach oben“, sagt sie und lacht. Nach dem Ausbruch des zweiten Tschetschenien-Kriegs 1999 wurde es noch schwieriger dorthin zu gelangen. „Ich habe da so meine Methoden und eine etwas verändertes Erscheinungsbild“, sagt Gladysch und will nicht mehr verraten. Denn der russische Geheimdienst lese jeden Artikel zum Thema Tschetschenien, ist sie sich sicher. Und schließlich will sie ihre Besuche dort nicht missen: „Immer wenn ich dorthin komme, muss ich jeden einzeln begrüßen“, sagt sie mit strahlenden Augen.

Auch in Düsseldorf engagiert sich Gladysch. Regelmäßig schickt sie einen Menschenrechtsbericht an Schröder und Fischer. Sie ist Ansprechpartnerin für tschetschenische Asylbewerbern. Seit sie Rentnerin ist, geht sie in die Schulen und klärt dort auf. Nun kommen die Schulklassen zu ihrer Ausstellung. „Die Führungen sind fast ausgebucht“, sagt sie. Nach dem Massaker im nordossetischen Beslan sei das Interesse am Tschetschenien-Konflikt gewachsen. Am ersten Oktober hat Gladysch eine Podiumsdiskussion organisiert, am 8.10 endet ihre Ausstellung.