RATLOS VERLÄNGERN DIE NIEDERLÄNDER IHR POLDERMODELL
: Die untauglichen Rezepte aus der Fremde

„Besser ist es immer da, wo ich nicht bin“ – diese Regung aus der Individualpsychologie ist auch in der deutschen Sozialpolitik sehr gängig. Krise im Gesundheitssystem? Da könnten wir doch die Konkurrenz der Krankenkassen wie in der Schweiz initiieren. Und die dortigen Kopfpauschalen sehen auch einfach aus. Zu viele Sozialhilfeempfänger? Da bietet sich das „Modell Wisconsin“ an, das Bedürftige zwangsweise mit Arbeit versorgt. Immer mehr Arbeitslose? Dann müssen wir es machen wie das niederländische „Poldermodell“: Lohnzurückhaltung nebst Konsenspolitik verhelfen zur Vollbeschäftigung, so die Ideen-Importeure.

Nur mühsam dringt durch, dass die Schnellrezepte aus der Fremde ihre Nachteile haben oder überflüssig sind. Das „Modell Wisconsin“ ist in deutschen Kommunen längst verbreitet, es heißt „Arbeit statt Sozialhilfe“. Kopfpauschalen und Wettbewerb konnten nicht verhindern, dass das Schweizer Gesundheitssystem zum zweitteuersten der Welt wurde. Und auch das „Poldermodell“ muss eine rasant steigende Arbeitslosenquote melden. Sie liegt zwar in den Niederlanden mit 5,5 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland, aber es zählt der Trend. Zumal die reale Arbeitslosigkeit der in Deutschland entsprechen dürfte, weil erstaunlich viele Niederländer als „arbeitsunfähig“ gelten.

Aber was sind Fakten. Es zählt die Sehnsucht, dass es im Ausland ein Mittel gegen die deutsche Ratlosigkeit geben könnte, wie mit den Folgen der Arbeitslosigkeit umgegangen werden kann. So will, wer Holland preist, auch nicht merken, wie ratlos es jenseits der Grenzen zugeht. Die Niederländer beschlossen jetzt die Programmvariante „Weiter so“. Dabei sind dort die Probleme des Poldermodells bestens bekannt. So hat sich gezeigt, dass die niederländische Wettbewerbsfähigkeit gesunken ist, weil sich bei niedrigen Löhnen die technische Innovation nicht lohnt. Aber das wird sich bei uns nicht herumsprechen. Stattdessen steigt die ratlose Lohnzurückhaltung der Niederländer zum Patentrezept gegen die deutsche Arbeitslosigkeit auf. ULRIKE HERRMANN