Befreite Pillenpreise

Holländische Internetapotheke darf die Preise weiter unterbieten – Preisbindung gilt nur für Deutsche

HAMM taz ■ Ausländische Versand- und Internetapotheken unterliegen nicht der in Deutschland geltenden Preisbindung für verschreibungs- und apothekenpflichtige Arzneimittel. Sie können ihre Medikamente an Endverbraucher auch künftig erheblich billiger verkaufen. Dies hat gestern der Wettbewerbssenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Hamm in einem Urteil von grundsätzlicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Medikamentenhandel über das Internet entschieden. Abgewiesen wurde die Klage eines Apothekers aus Steinfurt gegen den Marktführer des Medikamentenversandes, die Internetapotheke „Doc Morris“ in den Niederlanden. Der Apotheker aus dem Münsterland fürchtet in dem nach seiner Ansicht ungleichen Preiskampf Umsatzeinbußen und hatte Doc Morris auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt. Durchschnittlich um 15 Prozent und in Einzelfällen sogar bis zu 60 Prozent billiger sind die Medikamenten-Preise der niederländischen Internetapotheke. Diese Kosteneinsparung nutzen zunehmend auch die deutschen Krankenkassen, die die Abrechnungen mit Doc Morris weitgehend akzeptieren. Mit Arzneimittel-Lieferungen nach Deutschland erzielt die Internetapotheke schon fast 80 Prozent ihres Umsatzes.

Nach Ansicht des 4. Zivilsenats kann die deutsche Arzneimittelpreisverordnung nicht auf ausländische Versand-Apotheken übertragen werden. Dies würde ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs bedeuten. Es gelte das Recht des Herkunftslandes – für die Internetapotheke Doc Morris damit das niederländische Recht, das für Arzneimittelpreise eine Höchstgrenze bestimme und weder Rezeptgebühr noch Zuzahlung kenne. Auch habe der deutsche Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung für einen grenzüberschreitenden Arzneimittelhandel getroffen, obwohl ihm die Problematik des verbilligten Medikamentenbezugs aus dem Ausland bekannt gewesen sei. Ebenfalls sei nicht zu beanstanden, dass Doc Morris die Arzneimittel an deutsche Versicherte abgebe, ohne die Zuzahlung zu erheben. Die Zuzahlungsregelung sei wettbewerbsrechtlich unbedeutend, heißt es. Gegen das Urteil wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. (AZ: 4 U74/04)KLAUS BRANDT