weinprobe
: Große „kleine“ & unbekannte Weiße

2005 Château Grand Village Bordeaux Supérieur rouge AC

Die beiden Winzer Sylvie und Jacques Guinaudeau erzeugen auf dem Plateau von Pomerol einen der außergewöhnlichsten, feinsten und großartigsten Rotweine der Welt: Château Lafleur. Neben dem sinnlicheren, verschwenderischeren Merlot Château Pétrus ist der Lafleur der subtilere, ernstere Wein. Von beiden Pomerols einmal im Leben wenigstens genippt zu haben ist das Ziel eines jeden ambitionierten Genießers. Über Kaufen wollen wir hier nicht sprechen: Lafleur wie Pétrus sind rare Ikonen der Weinbaukunst – und daher mit 1.500 bis 2.000 Euro pro Flasche nicht einmal überbezahlt. Indes: Was trinken Lafleur-Fans, wenn es nicht der Grand Vin sein soll? Am besten den Grand Village. Dieser klassische Bordeaux rouge – zu 80 Prozent Merlot und 20 Prozent Cabernet Franc – stammt vom Wohnhaus der Guinaudeaus, wächst also auf mit Lehm bedecktem Kalkboden bei Fronsac einige Kilometer weiter westlich von Pomerol: ein Speisenbegleiter von hoher Qualität. Wer Lafleur trinkt, beleidigt seinen Gaumen auch bei einfacheren Qualitäten nicht. Der rote Grand Village ist jedenfalls der schönste, rundeste, verblüffendste Bordeaux Supérieur, den ich je getrunken habe. In seiner feinherben, rauchigen, tabakigen Würze und der seidig-feinen Frucht, die an reife dunkle Kirschen ebenso erinnert wie an dunkle Beeren, schimmert sogar ein klein wenig Lafleur durch. Und reifen tut dieser große „kleine“ Bordeaux wie ein ganz großer. Als der noch immer nervige, überaus elegante 1990er wie auch reichhaltige 2000er vor zwei Wochen auf dem Rheingau Gourmet-Festival im Hattenheimer Kronenschlösschen vor einigen gereiften Lafleurs zum Menü gereicht wurden, war das Staunen ob seiner dauerhaft kulinarischen Klasse jedenfalls groß. Erst recht aber, als der Preis genannt wurde. Der 2005er (11,60 Euro) ist herb und markant, ein fest strukturierter Bordeaux mit langer Lebenserwartung; der seidige 2006er (10,90 Euro) ist süßer, rotbeeriger und charmanter, wenn auch weniger konzentriert und nachhaltig als der 2005er.

2006 Château Grand Village Bordeaux AC blanc

Dass im Bordelais auch einige wenige herausragende trockene Weißweine erzeugt werden, ist vielleicht weniger bekannt. Noch weniger aber, dass es im Regelfall Sauvignon blancs sind, die aufgrund der Kiesböden, der Beigabe von einer ordentlichen Portion Sémillon sowie dem Ausbau im kleinen Eichenfass weitaus dichter, fülliger, tiefgründiger, würziger und langlebiger sind als das, was man sonst mit Sauvignon blanc verbindet. Zwar ist der mittelgewichtige bis leichte weiße Grand Village kein Smith-Haut Lafite und auch kein Domaine de Chevailer. Doch seine klare, fleischige Fruchtfülle und lebendige, mineralisch-würzige Struktur kündigen die größten weißen Bordeaux doch zumindest an. Zudem passt er hervorragend zu den meisten Fisch- und hellen Fleischgerichten und ist mit weniger als 10 Euro wiederum sensationell günstig im Preis. Der 2006er kostet bei WeinArt in Geisenheim 6,56 Euro: Telefon (0 67 22) 7 10 80.STEPHAN REINHARDT