Zombiemarketing

Das Computerspiel „Resident Evil“ infiziert auch Handys – fast wie ein böser Virus, dabei aber völlig freiwillig

„Virales Marketing“ nennt die Werbeindustrie ein Verfahren, das der jeweils erwünschten Zielgruppe das Gefühl gibt, mit subkulturellem Eigenkapital zu handeln. Auf einer Website steht ein lustiges Spielchen oder Filmchen zum Herunterladen bereit. Man kann es an Kollegen und Freunde per E-Mail weiterschicken, die dasselbe tun, wenn es ihnen auch gefällt. So ganz nebenbei erreicht die Werbebotschaft damit genau die Leute, die sonst jeden Spam schon löschen, bevor er in ihrem Briefkasten auftaucht. Unter Freunden aber ist alles ganz anders: man wird selbst und freiwillig aktiv.

Ein bisschen erinnert das Prinzip an den guten alten Kettenbrief. Aber so altmodisch sind die Marketingmanager nicht. Sie berufen sich auf die so genannte Meme-Theorie, die Informationen als autonome virale Gebilde beschreibt, die menschliche Gehirne als Brutgrund benutzen, einen eigenen Überlebenswillen haben und sich fortpflanzen wollen. Postmodern-ironisch hat die Computerspielfirma Capcom in England daraus ihre Werbekampagne für die neuste Folge ihres Spiels „Resident Evil“ gestrickt. Sie hat das „T-Virus“ in Umlauf gebracht. Im Spiel ist das eine von der virtuellen Firma „Umbrella Corporation“ entwickelte Biowaffe, die unbescholtene Bürger in bösartige Zombies verwandelt. Das macht Computerspieler glücklich, denn sie dürfen hinterher wieder aufräumen. Ebenso Kinogänger: Der zweite Resident-Evil-Film „Apocalypse“ kommt diese Woche in die deutschen Kinos.

In Großbritannien jedoch ist dieses Virus nicht mehr nur fiktiv und daher harmlos, nein, die Ansteckungsgefahr ist real: Wer immer möchte, kann von der Seite www.t-virus.co.uk aus jeden und jede mit diesem wohl berühmtesten Virus der Computerspielgeschichte infizieren. Und zwar per SMS.

Eine virale Marketingkampagne, in der man Viren verschickt – die Ironie dieses Werbeeinfalls ist schon beinahe brachial: Denn was man da spielerisch macht, macht man ja wirklich: Man infiziert seine Freunde. Zwar nur mit dem T-Virus im Handy, aber auch mit dem Wissen um das neue Spiel. Wenn man die SMS mit der sinistren Botschaft „You have been infected“ erhält, ist es bereits zu spät. Das Meme hat sich eingenistet.

Aber ganz ohne materiellen Anreiz kommt das virale Marketing selbst im fortgeschrittenen Stadium der Selbstreferenz nicht aus. Es geht darum, mit möglichst vielen Infektionen Punkte zu sammeln, die Gewinner erhalten Preise. Wie viele der britischen SMS-Zombies bisher stöhnend und strauchelnd in den nächsten Spieleladen gewankt sind, um das Spiel zu kaufen, ist unbekannt. So gut sind die Marketingstrategen noch nicht. Und in Deutschland sind wir sicher. Die Telekom verbietet alles, was mit „T“ beginnt, bevor es die Chance hat, sich auszubreiten. Pech für Zombies. UKE BOSSE