Doktor Rath darf poltern

Das Oberlandesgericht Hamm erlaubt dem Vitamin-Guru, Münsteraner Ärzte weiterhin zu verunglimpfen

HAMM taz ■ Der Streit und die verbale Auseinandersetzung zwischen dem selbst ernannten „Alternativmediziner“ Matthias Rath und der Schulmedizin um die Wirkung von hoch dosierten Vitaminpräparaten bei der Krebsbehandlung darf weiterhin mit harten Bandagen ausgefochten werden. Dies hat gestern der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Hamm entschieden und den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den höchst umstrittenen Vitamin-Apostel abgelehnt.

Der in den Niederlanden ansässige Rath hatte die Professoren der onkologischen Abteilung des Universitätsklinikums Münster auf Flugblättern als „Handlanger der Pharmaindustrie“ bezeichnet, die diese Äußerung als ehrverletzend und verunglimpfend empfinden und auf Unterlassung geklagt hatten. Doch anders als in erster Instanz vor dem Landgericht Münster wertete das OLG in Hamm diesen Vorwurf nicht als Formalbeleidigung. Die scharfe Kritik sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, heißt es in der Begründung.

Hintergrund des Rechtstreits und anderer juristischer Auseinandersetzungen ist der „Fall Dominik“. Dominik ist ein an Knochenkrebs erkrankter neunjähriger Junge aus dem Westerwald, der im vergangenen Jahr in der Uniklinik behandelt worden ist. Beeinflusst von der so genannten „Zellular- und Vitamintherapie“, vor der zahlreiche Onkologen warnen, haben die Eltern die schulmedizinische Behandlung abgebrochen. Um das Leben des Jungen nicht zu gefährden, leitete der Direktor der Münsteraner Klinik für Krebsheilkunde ein Verfahren zur Entziehung des Sorgerechts der Eltern ein. Das Amtsgericht Betzendorf entzog den Eltern das Sorgerecht für die Gesundheitsfürsorge, das OLG Koblenz korrigierte später diese Entscheidung.

Rath, der ein Vermögen mit seinen Vitaminpräparaten verdient, nahm dies zum Anlass, um die Kampagne „Rettet Dominik“ zu starten und auf Flugblättern die Ärzte der Uniklinik als „Handlanger der Pharma-Industrie“ zu bezeichnen. Zwischenzeitlich ist Dominik mit den Vitaminpräparaten behandelt und in eine Werbekampagne des Vitamin-Mediziners einbezogen worden. Doch nach letzten Zeitungsberichten soll sich der Zustand des Jungen erheblich verschlechtert haben. KLAUS BRANDT