EIN BALTISCHER SCHINDLER

Der Mann hat vier Geburtsdaten, drei Geburtsorte, zwei Religionen, zwei Nationalitäten, zwei Familiennamen mit jeweils unterschiedlichen Vornamen und die jeweils passenden Lebensläufe dazu: Wer war Fritz Scherwitz oder Eleke Sirewitz wirklich?

So viel steht fest: Nach dem Ersten Weltkrieg Kindersoldat bei einem Freikorps in Litauen, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Ordnungspolizist in Polen, nach der Besetzung Lettlands durch die Deutschen SS-Untersturmführer eines KZ-Außenlagers in Riga, eines, in dem nichts als Korruptionsgüter für die SS-Führung hergestellt wurde. Den jüdischen Häftlingen ging es auf der „Lenta“ vergleichsweise glänzend.

Nach dem Krieg behauptete er, Jude zu sein – und jeder wollte ihm glauben. Durch Protektion der amerikanischen Besatzungsmacht wurde Scherwitz erst Treuhänder für beschlagnahmtes Nazieigentum in Wertingen, dann Regionalleiter für die Betreuung der Verfolgten des Nationalsozialismus in Oberschwaben.

1948 beschuldigten ihn Schoah-Überlebende aus Lettland des Mordes. Es begann eine Prozessserie ohne Beweise, die aber mit einem antisemitischen Urteil endete. Als strafverschärfend galt die „Tötung eigener Rassegenossen“.

Scherwitz starb 1962 in München. Ehemalige Häftlinge fordern heute seine Rehabilitierung. TAZ