Job in Italien statt Handball in Schwaben

Nach tagelangem Rätselraten scheint festzustehen, dass die 23 Handballspieler aus Sri Lanka in Italien sind. Aus dem schwäbischen Wittislingen verschwanden sie über Nacht spurlos. Der internationale Sportaustausch könnte sehr drunter leiden

AUS DILLINGEN KLAUS WITTMANN

Tagelang hat eine komplette Handballnationalmannschaft mehrere Vereine in Bayern, die Polizei und die Ausländerbehörde auf Trab gehalten. Seit am Montagabend bekannt wurde, dass die dreiundzwanzig Herren der Handballnationalmannschaft aus Sri Lanka spurlos verschwunden sind, mündeten viele Spekulationen gar in die Vermutung, dass die Nationalspieler gar keine seien. Und so ganz geklärt ist das bis heute nicht.

Es begann alles damit, dass der sportlich aktive TSV Wittislingen im bayerischen Landkreis Dillingen ein großes Handballturnier organisierte. Besonders freuten sich die teilnehmenden Vereine auf die Nationalmannschaft aus Sri Lanka. Die sollte nach dem Turnier in Nordschwaben noch weitere sechs Städte mit ihrem spielerischen Können faszinieren. Unterkünfte und Verpflegung sowie Rahmenprogramme bis zum Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Landshut waren bereits organisiert.

Doch am Montagmorgen waren plötzlich die Spieler alle wie vom Erdboden verschluckt. Als man den Gästen ihr Frühstück bringen wollte, waren nur noch deren Anzüge, ihre Koffer und die sonstige Habe da. Werner Eiba, der Handballabteilungsleiter des TSV, und seine Vereinskollegen machten sich auf die Suche. Sie fuhren benachbarte Ortschaften ab, falls sich die Handballgäste, die in Trainingsanzügen unterwegs sein mussten, beim Joggen verlaufen hätten.

Dann fand sich in ihrem Gepäck ein vordatierter Brief, in dem sie sich für die Gastfreundschaft bedankten und mitteilten, sie würden sich Richtung Frankreich davonmachen. Während sich die sechs anderen Vereine ans Absagen ihrer Veranstaltungen und die Umplanung machten, begann die Polizei mit der Fahndung. Gestern teilte sie mit, es gebe keine Hinweise auf den „momentanen Aufenthaltsort der Personen“.

Ganz anders die Informationen der deutsch-asiatischen Sportaustauschorganisation Agsep. Einige der Spieler hätten sich bereits aus Italien bei ihren Familien gemeldet, sagte der 1. Vorsitzende, Dietmar Doering, der taz. „Sie sagten, sie hätten in Italien Arbeit gefunden.“ Rein wirtschaftliche Gründe seien es also, die dazu geführt hätten, dass sich die Spieler nach Italien abgesetzt haben.

Im Falle der unwahrscheinlichen Rückkehr der Spieler in ihr Heimatland erwarten sie am Flughafen von Colombo unangenehme Fragen. „Das Sportministerium hat bereits eine Liste der Personalausweisnummern an den Flughafen weitergeleitet“, so ein Mitarbeiter des Bonner Konsulats von Sri Lanka. Die Folgen für andere Sportler aus Sri Lanka, aber auch aus anderen Ländern seien gar noch nicht abzusehen. „Wir haben für diesen Herbst noch Reisen einer Erstliga-Damenfußballmannschaft, einer Badmintonmannschaft und einer Tischtennismannschaft organisiert“, sagt der Agsep-Chef. Alle diese Termine seien abgesagt worden.

Für die Familien der geflohenen Männer sei die Situation aber schon jetzt problematisch, denn in einem Bürgschaftsvertrag mit den Spielern sei im Falle der Nichtrückkehr eine Strafe von 500.000 Rupien, umgerechnet etwa 4.700 Euro, vereinbart worden. „Das sind mehrere Monatsgehälter für die Angehörigen daheim.“ Bei der Botschaft in Berlin meinte ein Sprecher, offiziell sei man hier mit der ganzen Sache noch nicht betraut. Schließlich hätten die Spieler ein Visum, und er, so der Botschaftsmitarbeiter, gehe davon aus, dass es gar keine Handballnationalmannschaft von Sri Lanka gebe.

Das würde sich mit den Eindrücken der Spielgegner in Schwaben decken, die den Handballern aus Sri Lanka bestenfalls Kreisklassenniveau attestierten. Gleichwohl hatten sie die am Turnier teilnehmenden Mannschaften gebeten, dass die den Gästen aus Übersee „doch ein wenig eine Chance lassen“.

Agsep-Mann Doering erzählt, vor drei Jahren hätten Handballspieler aus Hagen in Westfalen gegen dieselbe Mannschaft in Sri Lanka mit 36 zu 3 gewonnen. „Auch die Damenfußballmannschaft aus der ersten Liga hier hat bestenfalls Bezirksliganiveau.“ Nicht zuletzt zur Verbesserung der sportlichen Standards pflege man ja auch seit eineinhalb Jahrzehnten solche Austauschprogramme.