„Auch leere Häuser kosten“

Im November kommen die Bagger. Marzahn Nord soll schrumpfen: Viele Platten werden abgerissen oder verkleinert und umgebaut. Der Senat setzt auf eine „veränderte Idee“ des Städtebaus

von OLIVER HAVLAT

Bundesweit ist Marzahn verschrien als vermeintliches Beispiel für brutalstmöglichen Städtebau. Elf- bis 23-stöckige Plattenbauten, unterscheidbar allenfalls an der grellen Farbgebung, drängen sich auf engem Raum. Kaum jemand mag noch hier herziehen, allenfalls weg aus den Bezirken fahren die Umzugslaster. Das Resultat: Die – oft noch unsanierten – Hochhäuser vergammeln zusehends.

Mitunter jede dritte Wohnung ist schon leer in den Platten, die teilweise erst kurz vor der Wende bezugsfertig geworden waren. „Und auch leer stehende Häuser kosten ja Geld“, sagte Birgit Hoplitschek von der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) Marzahn der taz. Steuern, Straßenreinigung und Absicherung der Bausubstanz fallen auch an, wenn niemand mehr darin wohnt. Zudem, weiß man in der Wohnungsbranche, erzeugt Leerstand wiederum Leerstand. Der Bezirk blutet aus.

Die Lösung, die Senat und die WBG Marzahn jetzt gemeinsam anstreben, ist so einfach wie spektakulär: Die Platten sollen weg – oder zumindest kleiner werden. „Das Ziel ist die Aufwertung dieses Gebietes“, so Hoplitschek. Deswegen fahren die Abrissbagger im November als Erstes in der Havemannstraße 3/5 vor. Allerdings werden die beiden Häuser, die schon komplett leer sind, nicht ganz abgerissen, sondern bis auf drei oder vier Etagen verkürzt. „Rückbau“ heißt das im Fachjargon. Und nach dem Rückbau folgt der Umbau: Kleine Wohneinheiten in den Plattenbauten werden zu großzügigeren, meist zwei Zimmer umfassenden Wohnungen vereint. Dachterrassen wird es geben und Sonnenkollektoren.

Insgesamt soll mit einem knappen Dutzend Plattenbauten so verfahren werden. Nach der Havemannstraße folgen Objekte an der Rosenbecker Straße, Oberweißbacher Straße, Eichhorster Straße, Karl-Holtz-Straße und der Niemegker Straße, die teilweise abgerissen, teilweise umgebaut werden. Da, wo die Häuser komplett abgebrochen werden, sollen Grünanlagen entstehen.

Aus 1.670 Wohneinheiten werden 409. „Ahrensfelder Terrassen“ werden die neuen Häuser nach ihrer Fertigstellung Ende 2004 dann heißen. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass die neuen Wohnungen ruckzuck vermietet sein werden“, sagte Petra Reetz, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Allerdings: Neue Mieter wird es auch in den „Ahrensfelder Terrassen“ so schnell nicht geben. „Wir rechnen mit einer Umverteilung im Stadtteil“, erklärte Reetz. Erst langfristig sollen die Veränderungen im Stadtbild die Attraktivität Marzahns so steigern, dass auch wieder Mieter von außerhalb hier herziehen. Kurzfristig sei das alles natürlich eine „sehr teure Entscheidung“, betonte Reetz. Gut 30 Millionen Euro investiert die WBG in Abriss und Umbau der Häuser. Die Hälfte davon kommen aus öffentlichen Fördermitteln, unter anderem dem Programm Stadtumbau Ost und den letzten Posten des Senatsförderprogramms für Plattenbausanierung. Aber im Senat ist man überzeugt von dieser veränderten Idee von Städtebau. Hier in Berlin werde nicht, wie in anderen Städten, einfach abgerissen, sondern behutsam verändert und erneuert, sagte Reetz. Man schreibe den Stadtteil nicht ab. „Wir wollen den Bewohnern das Signal geben, dass wir an diesen Bezirk glauben.“