Kein Boykott mehr

Das Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung wird 25 Jahre alt. Heute arbeiten die Lobbyisten vor allem in den Schulen

„Wir brauchen mehr als nur Reparatur- maßnahmen vor Ort“

Bremen taz ■ Entwicklungspolitik? Früher hieß das: Hilfsgüter verteilen, Schulen bauen, Brunnen bohren. „Doch wir brauchen mehr als nur Reparaturmaßnahmen vor Ort“, sagt Angelika Krenzer-Bass vom Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (biz).

Heute sei es mindestens genauso wichtig, in die Schulen zu gehen und dort konkrete Aufklärungsarbeit zu leisten. 2.000 Fachbücher und 200 Videos stehen mittlerweile zur Verfügung, außerdem rund 50 Zeitschriftentitel. „Wir müssen hier in Deutschland bei den Menschen ein Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge schaffen“, sagt Krenzer-Bass.

Schließlich seien es doch gerade die Länder der so genannten Ersten Welt, die täglich neues Elend in der „Dritten Welt“ verursachten. „Und bei der Aufklärung müssen wir möglichst früh ansetzen – sonst fallen die Menschen wieder auf die Parolen der Politiker herein“, ergänzt biz-Geschäftsführerin Gertraud Gauer-Süß. Die Resonanz in den Schulen ist groß: „Die LehrerInnen sind froh um unser Angebot.“

Doch gehe es nicht darum, den Schülern ein schlechtes Gewissen einzureden. Anders als früher wolle man heute nicht mehr nur anklagen. So hat das biz 1984 in einer großen Ausstellung über den Fern-Tourismus zum generellen Boykott solcher Reisen aufgerufen. Heute gibt es die Ausstellung wieder – aber den Boykottaufruf sucht man vergebens. „Wir versuchen jetzt, den nachhaltigen Tourismus zu fördern, Alternativen für ein halbwegs verträgliches Verhalten aufzuzeigen“, so Krenzer-Bass. Schließlich könne man den Leuten nicht vorschreiben, wo sie ihren Urlaub zu verbringen hätten.

„Früher dachte ich, wir müssen nur laut und deutlich genug sagen, wo das Problem liegt – und dann ändert sich die Welt“, erinnert sich Ludwig Sasse vom Entwicklungspolitischen Arbeitskreis, der ebenfalls im biz vertreten ist. Inzwischen sei er da nicht mehr so naiv. Heute brauche es konkrete Angebote: Wo kann man fair gehandelten Kaffee kaufen? Wie kann man die TextilarbeiterInnen unterstützen, die in Südostasien ausgebeutet werden?

Seit 25 Jahren leistet das biz nun schon diese Arbeit, mit Vorträgen und Seminaren, Workshops und Lesungen, Ausstellungen und Infoständen. Gegründet wurde es im September 1979 von insgesamt fünf entwicklungspolitischen Initiativen, die die BremerInnen gemeinsam über die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern informieren wollten. Dafür bekam das biz nicht nur von Anfang an Gelder vom Bremer Senat, wie Gründungsmitglied und Schirmherrin Luise Scherf betont. „Bremen hat damals eine Vorreiterrolle eingenommen“, so Scherf. Unterstützung kam schon 1979 auch vom damaligen Direktor des Überseemuseums, in dessen Räumen das Informationszentrum seither sein Büro hat. Bis heute versteht sich das biz als bundesweit einzigartig. Zwar vernetzten sich auch anderswo die Nicht-Regierungsorganisationen, dort aber sei die Kooperation der einzelnen Gruppen nicht im gleichen Maße institutionalisiert wie in Bremen. Die Gelder aus dem Landeshaushalt fließen immer noch – wenn auch nicht mehr im gleichen Umfang wir früher.

So hat das Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit, das seit 15 Jahren gemeinsam mit den Schulen, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit oder der evangelischen Kirche für den Haushalt des biz aufkommt, in diesem Jahr seinen Zuschuss um 30 Prozent gekürzt. Schon deshalb, so Gauer-Süß, „müssen wir die Öffentlichkeitsarbeit intensivieren.“ Damit man nicht in Vergessenheit gerate. Jan Zier