Ruhrpfarrer auf Mission

Revierpfarrer Ulrich Timpte war 17 Jahre lang in einem argentinischen Slum tätig. Die Sammlung seiner Briefe hat der 69-Jährige jetzt veröffentlicht

Wegen des Zölibats sterben die Gemeinden hier und in Südamerika aus

AUS ESSENNATALIE WIESMANN

„Gut Ding braucht neun Monate“ sagte Revierpfarrer Ulrich Timpte gestern bei der Präsentation seines Buches „In der Bannmeile von Buenos Aires. Eine Gemeinde entsteht“ in den Räumen des Kommunalverbands Ruhrgebiet (KVR). So lange hat sich der Oberhausener, als er 1986 nach Argentinien ging, Zeit genommen, seine zukünftigen Gemeindemitglieder und ihre Sprache kennen zu lernen. In den 17 Jahren seines Aufenthalts in einem Armenviertel am Rande von Buenos Aires hat der Oberhausener eine katholische Gemeinde aufgebaut, die zurzeit 28.000 Menschen zählt. Die ausführlichen Briefe an Verwandte und Bekannte, in denen er zwei Mal im Jahr seine Arbeit und die Lage der Menschen dort reflektierte, sind Stoff seines Buches.

Als „pastoralen Impuls“ aus Lateinamerika bezeichnet der Essener Weihbischoff Franz Grave das Werk von Timpte. „Sein Brückenschlag ist auch für uns sehr hilfreich“. Nützlich, so Gerhard Willamowki, Vorsitzender des KVR, sei für den Aufbau der Gemeinde in Argentinien aber auch Timptes Erfahrungen mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet gewesen. Timpte habe die Mentalität der Revierbewohner mitgenommen, „Etwas anzupacken und etwas Neues aufzubauen“, sagt er. „Auch meine Erfahrungen als Eheberater in Bottrop konnte ich in Argentinien sehr gut einsetzen“, fügt der heute 69-Jährige hinzu.

23 Jahre lang war er Pfarrer in Bottrop und Essen. In Bottrop engagierte er sich in verschiedenen Bürgerinitiativen und machte auf soziale Probleme vor Ort aufmerksam. Ende der 60er Jahre fing der Geistliche an, sich mit Fragen der „Einen Welt“ und der Entwicklungshilfe zu beschäftigen. Die Bekanntschaft mit einem Bischof aus Buenos Aires gab ihm dann den Anstoß, ins Ausland zu gehen.

„Mein Engagement für sozialpolitische Themen musste ich in Argentinien zurückstecken“, sagt Timpte auf Anfrage. Dort habe die Gründung der Gemeinde und der Bau von Kirchen im Vordergrund gestanden. Ungefragt übt Timpte aber Kritik am Zölibat: „Ich kann schon lange nicht mehr verstehen, warum es in der katholischen Kirche keine verheirateten Priester gibt“. Sowohl hier als auch in Südamerika kämen aus diesem Grund keine jungen Priester mehr nach.

Seine Erlebnisse mit Hunger, miserablen Wohnverhältnissen und Massenarbeitslosigkeit konnte er verarbeiten, in dem er sie zwei Mal im Jahr seinen Freunden und Verwandten beschrieb. Aber auch lustige Anekdoten weiß er zu erzählen, zum Beispiel von den ersten Beichtgesprächen in seiner lateinamerikanischen Gemeinde: „Die Jugendlichen sprachen so schnell, dass ich auf der anderen Seite des Beichtstuhls gar nichts verstand“, erinnert er sich lachend. Begeistert sei er von dem ganzheitlichen Glauben der Lateinamerikaner, der trotz allen Elends nicht erschüttert werde. „In Deutschland ist der Glaube so verkopft“, analysiert Timpte. Er habe sich aber im Ruhrgebiet wieder ganz gut eingelebt, sagt der Pfarrer, der vor einem Jahr zurückgekehrt ist. „Ich halte Kontakt zu meinem Nachfolger und schreibe jeden Tag e-mails an meine Gemeinde dort.“