Mehr Geld für Regierungsfreunde

Im Angesicht der Medienkrise holen deutsche Chefredakteure und Gewerkschaften wieder die Forderung nach staatlicher Presseförderung aus dem Schrank. Ein Blick nach Österreich zeigt, was dabei herauskommt – und wer wirklich profitiert

aus Wien RALF LEONHARD

Die Zeitungskrise hält an. Brauchbare Ideen, wie der Einbruch bei der Werbung wettgemacht werden kann, hat kaum ein Verleger. Und so kommt, was kommen muss: Preiserhöhungen, obwohl allen klar ist, dass man so nie den Anzeigenverlust vollständig kompensieren kann. Kostensenkungen, auch wenn es auf Kosten der redaktionellen Qualität geht. Und so manch einer in Deutschland hält es mittlerweile mal wieder für eine gute Idee, wenn auch der Staat seiner Not leidenden Presse ein wenig unter die Arme greift. Die Dienstleistungs- und Mediengewerkschaft Ver.di etwa oder die Deutsche Journalisten Union (DJU). Und auch die Chefredakteure vom Rheinischen Merkur und von der angeschlagenen Frankfurter Rundschau, Michael Rutz und Wolfgang Storz, fänden Subventionen für die Qualitätspresse gut. Dagegen ist der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Nun gehört Presseförderung in diversen europäischen Staaten zum Zeitungsalltag. Doch man muss bloß bis nach Österreich schauen, um zu sehen, dass direkte Subventionierung Unsinn ist.

Zwar würde die Medienvielfalt dort durch die Einstellung der öffentlichen Förderungen erheblich leiden. Doch kommen nach der gängigen Praxis in Österreich nicht unbedingt jene in den Genuss der höchsten Zuschüsse, die diese am dringendsten brauchen würden. Die Verteilung der Gelder erfolgt zwar nach rein formalen Kriterien. Doch zufällig werden die regierungsfreundlichen Blätter bevorzugt. So erhält etwa die bürgerliche Presse mehr als 2 Millionen Euro mehr als der liberale Standard, der zur Hälfte dem Süddeutschen Verlag gehört.

Standard und Presse melden sogar annähernd gleiche Auflagenzahlen um die 80.000 Exemplare täglich. Beide gelten als Qualitätszeitungen. Dass sich die ÖVP-nahe Presse dennoch über viel höhere Zuschüsse freuen kann als der oppositionsfreundliche Standard, liegt daran, dass die Subventionen aus zwei verschiedenen Töpfen stammen: Aus dem einen, für„allgemeine Presseförderung“, bekamen alle Tageszeitungen im Jahr 2002 jeweils exakt 272.875,40 Euro. Gefördert wird so auch das auflagenstarke Boulevardblatt Neue Kronenzeitung, dessen durchschnittlich 900.000 verkaufte Exemplare täglich von 3 Millionen Menschen gelesen werden.

Der wichtigere zweite Topf spendet die „besondere Presseförderung“. Um in diesen Genuss zu kommen, darf eine Zeitung nicht mehr als 22 Prozent ihres Seitenumfangs mit Werbung füllen. Erhoben wird hierbei der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Nun ist der Standard seit seiner Gründung 1988 im Anzeigenmarkt erfolgreich und übertraf 2002 diesen Wert trotz Werbekrise. Resultat: kein warmer Geldregen aus Steuermitteln. Die Presse bleibt dafür regelmäßig knapp unter dem Limit – und strich vergangenes Jahr sozusagen als „Entschädigung“ 2.189.982,70 Euro ein.

15 Tageszeitungen und 46 Wochenzeitungen werden aus dem Füllhorn von Vater Staat gespeist und damit zum Teil am Leben erhalten. Mehr als 22 Millionen Euro lassen sich Herr und Frau Steuerzahler diese alles andere als neutrale Förderung von Presseerzeugnissen kosten. Dennoch bleibt die inhaltliche Vielfalt vor allem bei den Tageszeitungen enttäuschend mager. Selbst dann, wenn man sie nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit der viel kleineren Schweiz vergleicht.

Offiziell ist bei der Vergabe der Fördergelder aus dem „allgemeinen“ wie dem „besonderen“ Topf nur darauf zu achten, dass sich die Publikationen auf dem Boden der Verfassung bewegen. Doch auch das ist Auslegungssache. Denn seit die rechtskonservative FPÖ in der Regierung sitzt, bezieht auch die ultrarechte Wochenschrift Zur Zeit üppige Fördergelder.

Herausgeber des Magazins ist Jörg Haiders ehemaliger Kulturberater in Kärnten, Andreas Mölzer. Zur Zeit steht „für ein Europa der Vaterländer und unsere deutsche Kultur“. Zu den Eigentümern gehört unter anderem die Junge Freiheit Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft in Potsdam, deren gleichnamige bundesdeutsche Wochenzeitung gerne mal im BRD-Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, weil sie „bekannten Rechtsextremisten ein Forum ohne kritische Kommentierung“ biete. Mölzer will mit seinem Blatt allen ein Forum bieten, die „nicht links“ sind. Dafür bekam er im Vorjahr 75.520 Euro aus dem Fördertopf – mehr als doppelt so viel wie das große wöchentliche Nachrichtenmagazin profil.

Gruppendynamik

Immerhin, ein wenig profitieren alle von der Presseförderung im glücklichen Österreich: Die Eisenstädter Kirchenzeitung gehört ebenso zu den Begünstigten wie das Organ der kroatischen Minderheit, Hrvatske Novine. Und wer wollte wohl über den Unsinn spotten, dass das Boulevardmagazin News bedacht wird, wenn anderseits auch eine Vielzahl anderer Druckschriften profitiert, auf die das Land sonst vielleicht verzichten müsste – von der actio catholica über den Braille Report, Cuba Si, den Sudetenreport und Das Tanzparkett bis zur Zeitschrift für Sozialpädagogik und Gruppendynamik.