Ein Anschlag erschüttert zwei Länder

Acht Tote und unzählige Verletzte vor der australischen Botschaft in Indonesiens Hauptstadt. Anschlag erfolgt kurz vor Wahlen in Indonesien und Australien. Polizei verdächtigt Jemaah Islamiyah und sieht Parallelen zu Bali-Anschlag von 2002

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Bei einem Bombenanschlag vor der australischen Botschaft in Indonesiens Hauptstadt Jakarta sind gestern mindestens acht Menschen getötet worden, mehr als 160 wurden verletzt. Vermutlich handelte es sich dabei um ein Selbstmordattentat. Der Sprengsatz sei in einem Auto versteckt gewesen, das vor die Botschaft gefahren wurde, so Polizeichef D’ai Bachtiar. Detoniert war die Bombe nur vier Meter vor dem stark gesicherten Tor der australischen Vertretung.

„Wir verurteilen diese Aktion entschieden“, sagte Indonesiens Außenminister Hassan Wirajuda gestern vor Journalisten. Australiens Außenminister Alexander Downer, der unverzüglich nach Jakarta aufbrach, erklärte, es habe sich „mit Sicherheit um einen gegen Australien gerichteten Anschlag“ gehandelt. Australiens konservative Regierung, die sich am 9. Oktober zur Wiederwahl stellt, ist eine der engsten US-Verbündeten im Krieg gegen den globalen Terror.

Auch Indonesiens Regierungschefin Megawati Sukarnoputri, die zur Hochzeit des Kronprinzen von Brunei eingeladen war, brach ihren Besuch dort ab. Thailand und die Philippinen verurteilten den Anschlag und verstärkten die Sicherheitsposten vor den australischen Vertretungen in Bangkok und Manila.

Polizeichef Bachtiar sagte, der Anschlag trage die Handschrift des schon länger gesuchten Bombenexperten Asahari bin Husin, der der islamistischen Terrororganisation „Jemaah Islamiyah“ (JI) angehören soll. Dem südostasiatischen Netzwerk werden Verbindungen zu al-Qaida nachgesagt. Laut indonesischen Ermittlern war Asahari bereits als Haupttäter des Bombenanschlags auf das Marriott-Hotel in Jakarta im August 2003 identifiziert worden, bei dem zwölf Menschen starben. Der malaysische Wissenschaftler soll auch die Sprengsätze für die Bali-Anschläge gebaut haben, bei denen im Oktober 2002 bei Anschlägen auf zwei Nachtclubs 202 Menschen ums Leben gekommen waren. „Die Vorgehensweise ist sehr ähnlich“, wurde Bachtiar zitiert.

Durch die Verhaftungen wegen des Bali-Anschlags und die Festnahme des indonesischen Top-Terroristen Hambali im August vergangenen Jahres in Thailand sei die JI zwar angeschlagen, aber keineswegs zerstört, so hatte kürzlich das Fazit der „International Crisis Group“ und der im Juni aus Indonesien ausgewiesenen Terrorismusexpertin Sidney Jones gelautet. Das Thema Terrorismus kommt jetzt kurz vor der Stichwahl zur Präsidentschaft am 20. September wieder auf die politische Tagesordnung Indonesiens, von der es während des Wahlkampfs fast gänzlich verschwunden war. Um bei ihren Wählern zu punkten, hatten sich die beiden Kandidaten, Präsidentin Megawati und ihr Rivale, Ex-General Susilo Bambang Yudhoyono, lieber Themen wie Wirtschaftskrise und Korruption zugewandt. Kritikern zufolge sind mangelnder politischer Wille sowie Indonesiens marodes Justizsystem dafür verantwortlich, dass das Land das Terrorproblem nicht in den Griff bekommt.

Die als entscheidungsunwillig bekannte Megawati hatte zwar eine knappe Woche nach den Bali-Anschlägen Anti-Terror-Dekrete unterzeichnet. Diese aber waren hauptsächlich auf ausländischen Druck zustande gekommen. Ein indonesisches Gericht hatte nun im Juli jene Gesetze, nach denen bereits mehrere Bali-Bomber zum Tode verurteilt worden waren, für nicht verfassungskonform erklärt.

Einen klaren Kurs müsste Indonesien auch im Umgang mit Abu Bakar Baschir einschlagen. Das aber bleibt schwierig: Der radikalislamische Geistliche, der als mutmaßlicher Führer der Jemaah Islamiyah gilt, war im September 2003 zu vier Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt worden. Im November aber kippte ein Berufungsgericht das Urteil und reduzierte die Strafe auf drei Jahre. Der 66-Jährige, der ursprünglich im April freikommen sollte, blieb dennoch weiterhin in Haft: Angeblich habe man neue Beweise für seine Führungsrolle innerhalb der „JI“. Baschir wirft den Behörden seinerseits vor, sich dem Druck aus Washington gebeugt zu haben. Der Kernpunkt im Verfahren gegen ihn hatte darin bestanden, dass diese Beweise nie erbracht werden konnten. Das lag nicht zuletzt daran, dass der indonesischen Justiz zu in US-Gewahrsam befindlichen Zeugen kein Zugang gewährt worden ist.