DEUTSCHE MILITÄRS UNTERSCHÄTZEN DIE GEFAHR IM KOSOVO VOLLKOMMEN
: Huch, wir führen Krieg

Die Bundeswehr führt keine Kriege, sondern bekämpft allenfalls Verbrecher oder beteiligt sich mit militärischen Mitteln an humanitären Maßnahmen. Sie ist dabei stets erfolgreich und hilft auch nach dem Ende einer Krise gerne der betroffenen Bevölkerung beim Wiederaufbau ihres Landes: Diese gemütvolle, schlichte und falsche Interpretation komplexer Zusammenhänge hat sich schon mehrfach als wirkungsvoller Werbeträger für umstrittene Auslandseinsätze der deutschen Armee erwiesen. Jetzt zeigt sich, dass diese Propaganda offenbar nicht nur von einer breiten Öffentlichkeit, sondern auch von großen Teilen der Bundeswehr geglaubt worden ist. Anders sind die Fehler kaum zu erklären, die allmählich im Zusammenhang mit den März-Unruhen im Kosovo bekannt werden.

Es lässt sich nicht immer verhindern, dass Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen sterben. Wenn jedoch nicht einmal die Brisanz entsprechender Informationen erkannt wird, dann müssen sämtliche Alarmglocken schrillen. Die Meldung, dass eben doch zumindest ein Serbe im deutschen Verantwortungsbereich des Kosovo ums Leben gekommen ist, blieb gleich in mehreren Abteilungen des militärischen Apparates hängen. Monatelang hielt es niemand für nötig, auch mal dem Minister davon zu erzählen, der stolz verkündet hatte, es habe keine Toten in dem von Deutschen kontrollierten Gebiet gegeben. Dies dokumentiert eindrucksvoll, dass hochrangige Offiziere weder die Lage noch die politischen Gefahren begriffen haben.

Der Vorgang ist mehr als eine einzelne Panne. Es gibt weitere Hinweise darauf, dass deutsche Militärs die Situation allzu entspannt beurteilt haben und sich der Tatsache gar nicht mehr bewusst waren, dass sie nicht an einem Friedenseinsatz beteiligt waren, sondern in einer Krisenregion operierten. Derartige Fehleinschätzungen gefährden Menschenleben – in den Reihen der Soldaten und in denen der Bevölkerung. Einen Krieg zu führen ist schlimm genug. Aber wenn man nicht einmal merkt, dass man an einem Krieg beteiligt ist, dann ist das ganz und gar unverzeihlich. Nicht zuletzt unverzeihlich dumm. BETTINA GAUS