Weitermachen, sagt Blair zu sich selbst

Der jetzt beendete britische Labour-Parteitag offenbarte vor allem die Ratlosigkeit der angeschlagenen Führung

Die Gewerkschaften haben wieder mehr Einfluss in der Partei. Blair ist das egal

DUBLIN taz ■ Er ist der Mann fürs Grobe. John Prescott, britischer Vizepremier, stauchte die Delegierten zum Abschluss des Labour-Parteitags in Bournemouth am Donnerstagabend noch mal ordentlich zusammen. „Es wäre Verrat, wenn wir uns gegenseitig zerfleischten, so wie wir es in der Vergangenheit getan haben“, rief er, „es wäre ein wahrer Verrat an all jenen, die auf eine Labour-Regierung angewiesen sind, um ihre Lebensqualität zu verbessern.“

Prescotts Aufruf zur Einheit der Partei richtete sich vor allem an die Gegner des Irakkriegs. Eine ganze Reihe von Delegierten hatte Premierminister Tony Blair vorgeworfen, die Nation belogen zu haben, um den Krieg zu rechtfertigen. Die Mehrheit der ausgewählten Redner während der Irakdebatte argumentierte allerdings in Blairs Sinn, dass die Sache nun nicht mehr zu ändern sei und man sich auf Hilfe für das irakische Volk konzentrieren müsse.

Prescott sparte auch nicht mit Kritik an den Gewerkschaften, die die Parteiführung in dieser Woche mehrmals in Bedrängnis brachten. Mehrere Gewerkschaftsführer behaupteten, der Parteitag habe gezeigt, dass man sich die Partei „von der Blair-Clique zurückholen“ könne. „Wir haben gezeigt, dass wir ihnen eine blutige Nase verpassen können“, sagte einer von ihnen. Die Gewerkschaften hatten am Donnerstag noch einen Antrag gestellt, wonach Arbeitgeber künftig 10 Prozent zu den Rentenbeiträgen zusteuern müssen. Premierminister Tony Blair, dem das überhaupt nicht passt, akzeptierte den Antrag, weil er nicht noch eine Niederlage bei einer Abstimmung riskieren wollte.

Er akzeptierte damit auch, dass die Gewerkschaften wieder mehr Einfluss in der Partei haben. Die vier größten Gewerkschaften hatten schon lange nicht mehr so eng zusammengearbeitet wie in diesem Jahr, und weitere Gewerkschaftsführer haben angekündigt, diesem Bündnis beizutreten.

Zum Schluss des Parteitags wurde sogar das Lied „Die rote Fahne“ angestimmt – zum ersten Mal seit 1999. Ein Hinweis auf eine politische Richtungsänderung bei Labour ist das freilich nicht. Der Parteitag hat lediglich gezeigt, dass es New Labour an Ideen und an einer politischen Basis mangelt.

Das will Blair durch den „Dialog mit dem Volk“ ausgleichen. Eine Woche lang sollen die Menschen per E-Mail und auf Versammlungen in den Rathäusern zu den wichtigsten politischen Themen Stellung nehmen dürfen. Ziel der Übung ist es, der Entfremdung der Wähler von der Politik entgegenzuwirken.

Blairs Berater Matthew Taylor, der die Volksbefragung ausgeheckt hat, räumte ein, dass der Plan Risiken in sich birgt. „Eine schlechte Befragung ist schlimmer als gar keine“, sagte er. Falls der Eindruck entstehe, es sei lediglich ein PR-Trick, dann sei der Schaden größer als der Nutzen. Doch mehr als eine taktische Übung ist es nicht, das hat Blair in seiner Rede am Dienstag deutlich gemacht. Er will seine Politik durchziehen, notfalls auch gegen den Willen der Partei. Das Votum der Delegierten gegen Teile seiner Gesundheitsreform wird er geflissentlich ignorieren.

Außerdem ist die Idee nicht neu. Der einstige Labour-Vize Roy Hattersley startete 1993 die Initiative „Labour hört zu“, die nicht nur von den anderen Parteien verspottet wurde. Dem Tory-Führer William Hague erging es 1997 mit seiner Kampagne „Auf Großbritannien hören“ nicht besser. Bei Hattersley und Hague drückte sich damit eine tiefe Ratlosigkeit nach verheerenden Wahlniederlagen aus. Auch Blair ist trotz seiner unangefochtenen Mehrheit im Unterhaus ratlos, wie er das seit dem Irakkrieg stetig schwindende Vertrauen der Wähler zurückgewinnen kann. RALF SOTSCHECK