Für 190.000 Dollar Schwarzgeld gekauft

Eine Lettin ließ sich von einer nigerianischen Betrügerbande Geld aus der Tasche ziehen, deren Erfolg hauptsächlich von der Gutgläubigkeit und Geldgier ihrer Opfer abhängt. Zu einer Bewährungsstrafe wurde jetzt deswegen ein Bremer verurteilt

Bremen taz ■ Chidi I. zieht es vor zu schweigen. Sagt nichts zu der Geschichte, die vergangene Woche in Teilen vor dem Bremer Amtsgericht rekonstruiert wurde und an deren Ende eine lettische Bauingenieurin steht, die sich im Laufe von zwei Jahren 190.000 US-Dollar von einer nigerianischen Betrügerbande aus der Tasche ziehen ließ. Chidi I. – auf dessen Konto ein Teil des Geldes überwiesen worden war – war der einzige, den die Polizei ermitteln konnte.

Gestern wurde er zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt – auf Bewährung. Härter bestraft ist wahrscheinlich Frau K., die aus Naivität und wegen der Hoffnung auf das große Geld ihren Job verlor, umziehen musste und von Bekannten auf Rückzahlung von geliehenem Geld verklagt wird.

Angefangen hatte alles vor fünfeinhalb Jahren mit dem Brief eines gewissen Jerry, der sich als Civil Servant des nigerianischen Staates ausgab und ihr ein Geschäft vorschlug, das streng vertraulich bleiben müsse. Die Firma „National Nigerian Petroleum Cooperation“ hätte aus einem Kauf von Geräten für Ölraffinerien 30 Millionen übrig und müsse diese außer Landes bringen. Wenn sie ihr Konto dafür zur Verfügung stellen würde, bekäme sie eine Provision von 30 Prozent.

Finstere Machenschaften habe sie dahinter nicht vermutet, sagt Frau K. Der Staatsanwalt kann es nicht fassen. „Im Wortlaut heißt es doch, ‚wir haben 30 Millionen Dollar veruntreut und ich möchte, dass sie mir dabei helfen, das Geld ins Ausland zu schaffen.“ Ob ihr das nicht zu denken gegeben habe, will er wissen. „So habe ich es nicht verstanden“, antwortet Frau K. leise. Die hoch gewachsene Frau im Business-Kostüm erinnert an eine Figur aus einem Kaurismäki-Film, intelligent und freundlich, aber auch stur und unnahbar. Ihr Englisch sei damals nicht besonders gut gewesen, sagt sie. Und: „Unsere Firma war noch jung, wir hatten noch nicht viel Erfahrung“, sagt die Lettin, die hauptberuflich in der Verwaltung ihrer Stadt arbeitete.

Heute versteht sie nicht mehr, wie es dazu kommen konnte, wie sie nacheinander in ihrem Umfeld Tausende von Dollars zusammenkratzte, um immer neuen Gebührenforderungen nachkommen zu können. 40.000 Dollar für eine Versicherung hier, 15.000 für einen angeblichen Geldtransfer dort – Frau K. zahlte. Ohne an der Seriosität zu zweifeln. „Ich war wie unter einer Glocke, das war eine andere Person“, sagt sie fünf Jahre später über sich selbst und dass sie Jerry – dem Verfasser des Schreibens – vertraut habe. Der habe von Heirat gesprochen und redete die allein erziehende Mutter als „my darling wife“ an, obwohl sie sich kein einziges Mal getroffen hatten. „Er spielte mit meinen Gefühlen und appellierte an meine Gläubigkeit“, sagt sie.

Am 10. Mai 2000 war der große Tag gekommen. Sie reiste nach Bremen – näher an Lettland als London oder Mailand lautete die Begründung – um Jerry zu treffen und ihre Provision zu bekommen. Doch Jerry sagte ab und schickte einen angeblichen Vertreter der nigerianischen Regierung und einen weiteren „Geschäftspartner“ – den Angeklagten Chidi I. Begleitet wurde sie von einem katholischen Priester, der weder Englisch noch Deutsch sprach. Seine Aufgabe beschreibt er vor Gericht: „Ich sollte schweigen, mithören und vor allem schauen.“ Was er sah, fand er befremdlich. Zum Beispiel, dass das gelieferte Geld geschwärzt war, „aus Sicherheitsgründen“ wie man Frau K. erklärt hatte. Der Priester erzählt, wie das „Schwarzgeld“ im Hotelzimmer mit einer Chemikalie behandelt wurde. „Dann wurde rotes Licht eingeschaltet und eine Dollarnote kam zum Vorschein.“ Wie bei einer Fotografie, sagt er. Frau K. wurde erklärt, dass sie auch so eine Chemikalie brauche, um die für sie bestimmten Scheine zu „waschen“. Und die kostete natürlich Geld. 30.000 Dollar verlangten die Betrüger von ihr für die zweite Lieferung – die erste Chemikalie war bei ihrem zweiten Bremen-Besuch vor ihren Augen explodiert und nicht mehr verwendbar. Auch bei ihrem dritten Aufenthalt sah sie kein Geld – ihre beiden Geschäftspartner gaben als Aufenthaltsorte Nigeria und ein Londoner Krankenhaus an. Die Geldforderungen rissen hingegen nicht ab, Frau K. pumpte weiter Leute an und stieß endlich auf jemand, der misstrauisch wurde. Bei einem Versicherungsunternehmen wurde ihr dringend geraten, zur Polizei zu gehen.

Frau K. hat jetzt eine Klage auf Schadensersatz eingereicht. Die Aussichten, auch nur einen Bruchteil der 190.000 Dollar je wieder zu sehen, stehen schlecht. Chidi I. verdient als Zeitarbeiter 920 Euro im Monat, seine deutsche Frau bezieht für sich und ihre drei Kinder Sozialhilfe.

Eiken Bruhn