Ein Rheinländer schlägt zurück

Exbundesverkehrsminister Kurt Bodewig wehrt sich gegen den Vorwurf, für die Maut-Pannen verantwortlich zu sein

Exverkehrsminister Kurt Bodewig will nicht den Kopf für seinen Nachfolger Manfred Stolpe hinhalten. Bodewig hatte vor der letzten Bundestagswahl den Vertrag mit dem Maut-Betreiber Toll Collect unterschrieben. Jetzt wehrt er sich gegen Vorwürfe, er habe damals so schlampig verhandelt, dass die Millionenverluste durch die verspätete Einführung des Lkw-Maut-Systems zulasten der SteuerzahlerInnen gehen.

Wenn die Verträge offen gelegt würden, „würde man deutlich machen können, dass die Haftung besteht“, sagte Bodewig gestern im ZDF-Morgenmagazin. Das aber wird wohl kaum passieren – schon weil dann auch die Ergebnisse von Stolpes Nachverhandlungen ans Licht kämen.

Der 48-jährige Kurt Bodewig war der dritte Verkehrsminister unter Kanzler Schröder – in der Reihe völlig Unfähiger und Lahmer noch deutlich der Engagierteste. Wann immer er gefragt wurde, erklärte der gebürtige Rheinländer mit melodiöser Stimme, dass eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene nötig sei. Auch für den Fahrradverkehr fand der Mann, der vom Aussehen her öfter mit Gregor Gysi verwechselt wurde, stets blumige Worte.

Doch der Verkehrsbericht 2000, an dem er bereits während seiner Zeit als parlamentarischer Staatssekretär mitgeschrieben hatte und der bis heute die Grundlage der deutschen Verkehrspolitik bildet, geht von einer fatalistischen Grundannahme aus: Der Gütertransport wird bis zum Jahr 2015 um 64 Prozent und der Personenverkehr um 20 Prozent steigen. An diesem massiven Zuwachs schien für Bodewig kein Weg vorbeizuführen. Von Verkehrsvermeidung war jedenfalls nie die Rede.

Zwar stimmte Bodewig im Herbst 2000 nur leise in das allgemeine Lamento über zu hohe Benzinpreise ein und ist insofern für die letzte Erhöhung der Pendlerpauschale nicht verantwortlich zu machen. Doch ansonsten war er ein braver Sozialdemokrat, der gegen eine weitere Erhöhung der Ökosteuer argumentierte und auch eine Straßennutzungsgebühr für Pkw für völlig indiskutabel hielt. Stattdessen wurde unter seiner Regie ein milliardenschweres „Anti-Stau-Programm“ beschlossen, das die Verbreiterung mehrerer Autobahnen vorsieht.

Allerdings ist der Spielraum der Verkehrsminister unter Autokanzler Schröder auch extrem begrenzt. Und das einzige Mal, dass Bodewig einen mutigen verkehrspolitischen Vorstoß wagte, endete für ihn im Desaster. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte er die Reform der Bahnreform angekündigt. Es ist anzunehmen, dass er sich für seine Kampfansage an den DB-Chef Hartmut Mehdorn ganz bewusst den Parteitag des kleinen Koalitionspartners ausgewählt hatte. „Die Unabhängigkeit des Netzes ist keine Frage mehr des Ob, sondern eine Frage des Wann und des Wie“, erklärte er vor den versammelten Grünen und fand beim Publikum im Saal breite Zustimmung. Doch kaum hatte er den Raum verlassen, blies ihm ein scharfer Wind ins Gesicht.

Der Schröder-Freund Mehdorn tobte und drohte fast unverblümt mit Rücktritt, sollte das Netz aus seinem Konzern ausgegliedert werden. Daraufhin pfiff Kanzler Schröder seinen Verkehrsminister zurück – und der beteuerte fortan mit blumigen Worten, es habe nie einen Dissens gegeben.

ANNETTE JENSEN