Wirre Objekte, wilde Blicke

Die kontextuelle Zuordnung von Playboys bei Kunstveranstaltungen. Kein Essay!

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, an einigen – ja, wie nennt man das? – Kunstveranstaltungen teilzunehmen. Eine war in der Schweiz, die anderen in Hamburg, wo ich Freunde habe, die meinten, ich dürfe mir so einen Scheiß nicht entgehen lassen. Aber erst mal zur Schweiz:

Da handelte es sich um eine Kunstversteigerung, respektive um ein Happening, auf dem wirre Objekte von einem richtigen Gantbeamten – das ist schweizerisch und heißt, dass er die Zwangsversteigerungen von Amts wegen durchführt – versteigert wurden. Meine Bekannte ersteigerte für einen gewissen Paul ein paar Prada-Herrenschuhe für läppische 20 Schweizer Franken. Anschließend gab es ein schwergewichtiges Gespräch unter den Anwesenden über die „kontextuelle Zuordung von Bedeutung an Objekte im Rahmen einer Versteigerung“, und alle redeten wie wild herum und sagten unter anderem, dass diese Schuhe ja magischen Schutz gegen Fremde bedeuten und so weiter. Ich konnte wegen des Schwyzerdütschs nichts verstehen, aber meine Bekannte übersetzte mir leider alles. Meine Bekannte schwieg tapfer über die wahren Gründe ihres Kaufs.

Das teuerste verkaufte Objekt war ein Kasten mit Lockvogelpfeifen, wie es die italienischen Jäger gern benutzen. Darüber wurde ebenfalls mächtig gefaselt von wegen Kontaktaufnahme zur Natur und wie wertvoll dies offenbar der Käuferin sei. Das war eine Dame in mittleren Jahren, die wilde Blicke um sich warf. Ich machte mir so meine Gedanken – dass es hier wohl eher um Partnersuche als um die Suche nach der blauen Blume oder was gehe, und trank still meinen Wein aus.

Obwohl ich auf solche Ereignisse gut verzichten kann, kommt es hin und wieder doch zu Begegnungen mit dem aktuellen Kulturleben. So wie vor wenigen Tagen, als ich in Hamburg eine Fotoausstellung besuchte. Ein Mitarbeiter des Museum für Kunst und Gewerbe führte uns durch die Ausstellung „Leben und Werk von Gunter Sachs“ oder so ähnlich. Gunter Sachs, man erinnert sich: jener Sechzigerjahre-Playboy, der ein bisschen Kunst gesammelt und grauenvolle Fotos von nackten Weibern am Strand verfertigt hat. Warum das MKG so was ausstellt, ist mir schleierhaft.

Plötzlich stand ein Mann neben dem Mitarbeiter, den ich sofort als triefnasigen Hermann Kuhlmann aus meinen Geschichten von Frau K. identifizierte, allerdings war er etwas zu teuer gekleidet für Hermann. Aber es war ja auch der richtige Gunter Sachs, der zwar nur 71 ist, aber aussieht wie 91 und ein fürchterliches Beispiel dafür bildete, wie Menschen altern, wenn man sich wie er neben einem der riesigen Transparente aufhielt, die Fotos vom jungen G. S. mit Miezen auf Yachten zeigten. Dieser Hermann/Gunter entblödete sich also nicht, in seiner Ausstellung gleichnishaft herumzustehen und dem zusehends nervöser werdenden Mitarbeiter bei seinen Ausführungen zu lauschen.

Danach war ich auf einer ganz entsetzlichen Szene-Restaurant- Eröffnungsparty. Viel Szene und auch eine Menge Eröffnungen und vor allem die Erfahrung, dass in denselben Jeans, schwarzem T-Shirt und Lederjacke wie die Frau vom Chef zu erscheinen, dem Drama, dasselbe Designerkleid anzuhaben, gleichkommt.

FANNY MÜLLER