bücher für randgruppen
: Bratwursthumor und Erstbewohner

In der Kurzbiografie stellt ihn der Rowohlt Verlag als erfolgreichen Filmemacher und Musikproduzenten vor. Schon in frühester Jugend träumt der Hamburger Ramon Kramer davon, ein nordamerikanischer Erstbewohner zu sein. Mit den „Indianern“ hat er, der „weiße Mann“ sich – übrigens genau wie ich – in der Jugend seine weiße, leere Identität gefüllt. Der Kindheit entwachsen, bemerkt er, dass die Idole seiner Kindheit in Wirklichkeit ganz anders sind. Aus der Differenz zwischen Projektion und Realität, der daraus entstehenden „Ernüchterung“ generiert er nun seinen Humor, der den Leser durch das „Indianerland“ führen soll. Wie schon der Titel „Ich weißer Mann, du Indianer gut!“ verrät, gerät dieser Humor sehr derb, zuweilen auch schenkelklopfartig. „Wahrer als ‚Der Schuh des Mannitu!‘ “, kalauert es auf dem Rückcover. Die Grafiker haben sich zudem große Mühe gegeben, deutschen Bratwursthumor durch große Buchstaben nach Western-Art und witzige Bildstrecken zu verschärfen. Selbst das Layout signalisiert: Es darf, kann, nein, es soll und muss gelacht werden! Das Problem ist, dass bei so viel Aufforderung zum Spaßhaben, zum Lachen, die Luft für das Luftholen manchmal arg knapp wird. Und kitzeln gilt ja nicht!

Der Filmemacher Ramon Kramer reist also zu den „Schwarzfußindianern“ und stellt dort verwundert fest, dass es immer noch ein paar „Leute“ in der Reservation gibt, die allergisch auf „weißhäutige Filmemacher“ reagieren. Aber trotzdem, so bemerkt er nachfolgend, sei „die Zeit dort nicht stehen geblieben“. Mit dem philosophischen Gedanken im Marschgepäck, dass weißer Fortschritt im unendlichen Abfilmen der gesamten Welt besteht, sucht er die „Schwarzfuß“ heim, die vor „150 Jahren“ noch in „steinzeitähnlichen Verhältnissen“ gelebt hätten. Der seit 500 Jahren zivilisierte, dennoch aufzuklärende Leser erfährt nun, dass die inzwischen offenbar recht zivilisierten Steinzeitmenschen in Häusern, in Wohnwagen, aber nicht etwa im Zelt wohnen, dass sie ein „Dixie-Klo“ kennen und der Autor in der „guten alten Zeit“ hier vermutlich „sofort skalpiert worden wäre“.

Wahnsinnig lustig! Die FAZ, Lilo Wanders, Ulla Meinecke, das ZDF-Morgenmagazin und viele andere äußerten sich schwer begeistert von so viel Selbstironie. Auf jeden Fall vermittelt sich hier anschaulich der Eindruck einer Entwicklung, die den Siegeszug von Atze Schröder und der RTL-Comedy-Show im Rahmen weißer Hochkultur und ihr daraus resultierendes großes Selbstbewusstsein erklärt. Zur Belohnung dürfen wir an den neuzeitlichen Initiationsritualen der amerikanischen Erstbewohner teilnehmen, mit ihnen gemeinsam ein Stück giftiges qualmendes Styropor ins Lagerfeuer werfen. So demonstriert nämlich nun der weiße Mann derzeit den Heimgesuchten im Geist der Aufklärung, dass er weder humorfreier Ökofreak ist und sie keinesfalls back to the roots führen möchte. Bäume umarmen, das war mal.

Bis zur Hälfte sollte es mir gelingen, das Buch zu lesen. Dann sah ich total erschöpft das „RTL-Dschungelcamp“ an, entspannte mich und nahm das letzte Kapitel zur Hand. Dort ist zu erfahren, dass die Musikproduktion des Autors „The return of the Buffalo horses“ eigentlich ein großer Misserfolg war. Vielleicht also auch seine Filmproduktionen. Selbstironie sollte man niemandem vorwerfen. Damit wird hier nämlich nicht gegeizt. Immerhin: Für das Studium über die aktuelle, aufgeklärte Sichtweise auf das „Primitive“ bietet dieses Werk reichlich Material. WOLFGANG MÜLLER

Ramon Kramer: „Ich weißer Mann, du Indianer gut!“ Rowohlt, Reinbek 2008, 250 Seiten, 9,95 Euro