Birkenstöcke und Geranien, ade

Was sind das eigentlich für Leute, die taz-GenossInnen? Anlässlich der heutigen Genossenschaftsversammlungin Berlin porträtieren wir zwei von ihnen – ÜberzeugungstäterInnen, die seit Jahren hier ihr Geld investiert haben

von UTE SCHEUB

Was sind das bloß für verrückte Menschen, die sich selbst ins Knie schießen, indem sie Anteile der taz-Genossenschaft kaufen? Es ist doch bekannt, dass man bei dieser Investition Jahr für Jahr auf satte Rendite verzichtet. Klare Antwort: Das müssen Überzeugungstäter und -täterinnen sein. Also Leute, die aus der 68er-Bewegung stammen, Methusalembärte hinter sich herschleifen, ihre Dampfcomputer mit Biogas betreiben und ständig über die Fäden ihrer selbst gestrickten Pullis stolpern. Oder doch nicht?

Der eine taz-Genosse, den wir Ihnen vorstellen möchten, war minus zehn Jahre alt, als die Berliner StudentInnen im Jahre 1968 den Springer-Verlag attackierten. Er wurde am 2. April 1978 geboren, also mitten in den taz-Gründerzeiten.

Daniel Notthoff, inzwischen 25, ist Informatiker von Beruf und arbeitet für eine große Marketing- und Branding-Agentur in Zürich. Zu Hause hat er zwei normale Computer, ein Notebook und ein PDA stehen – das ist so ein Internetsurf-Videoguck-Musikhör-Multifunktionsding. Notthoff hat eine HomeCinema-Anlage, eine riesige DVD-Videosammlung, eine Freundin und zwei Katzen.

Auf die taz aufmerksam wurde er vor ungefähr sechs Jahren, und zwar „fast zufällig“ über das Internet. Die Zeitung, sagt er, habe ihn „gepackt“ und „vielleicht auch politisch geprägt und geformt“, denn damals war er erst 19 Jahre alt.

Inzwischen hat er schon „den dritten oder vierten Genossenschaftsanteil gezeichnet“, weil ihm die Idee so gut gefällt, „dass die Leser ihr Blatt selbst tragen“. Und dann hat er sogar auch noch seine im Ruhrgebiet lebenden Eltern animiert, die taz zu abonnieren. Wenn das keine Solidarität ist!

Dürfen wir Ihnen als anderes Beispiel Konni Scholz vorstellen? 42 Jahre, Modejournalistin aus Köln, hat Bekleidungstechnik und Design studiert und schreibt für die Fachzeitschrift TextilMitteilungen. Mal trägt sie Jeans und bequeme Sandalen, mal Designerklamotten und Hochhackiges. Gegen Birkenstock-Latschen hat sie „gar nichts“, aber dass manche Leute immer noch glauben, das sei das vorherrschende Schuhwerk in der taz-Gemeinde, findet sie doof: „Wir hinken uns selbst zehn Jahre hinterher!“ Oder, um im Bild zu bleiben: Wir schlurfen.

Konni Scholz – sie ist nebenbei gesagt Mitbegründerin der Kölner Car-Sharing-Firma „Cambio“ – liest seit ungefähr fünfzehn Jahren die taz. Das sei nun einmal ihre „Leib- und Magenzeitung“, bekennt sie. An den taz-AutorInnen schätzt sie „ihren Witz und Humor“ und ihre „undogmatische und lockere Haltung“: „Insofern finde ich die taz sehr modern.“

Viel zu kritisieren an der Zeitung hat sie nicht – außer einem vielleicht. „Das Thema Mode ist völlig unterbelichtet“, moniert Konni Scholz. Den letzten qualifizierten oder interessanten Artikel darüber habe ich vor ungefähr acht Jahren gelesen. Dabei ist alles, was man anzieht, Mode. Jeder beschäftigt sich jeden Tag damit.“

Anders als etwa in Frankreich oder Italien sei das ästhetische Empfinden in Deutschland „völlig unterentwickelt“, bedauert Scholz, es gebe eine „große Unbeholfenheit“, sich stilsicher anzuziehen, und auf vielen Gebieten einen hartnäckigen „ästhetischen Konservativismus“: “Auf 90 Prozent der deutschen Balkone blühen Geranien. Warum müssen es immer Geranien sein?“ Birkenstöcke und Geranien – das deutsche Paradies der Sinne und Sinnlichkeiten?

Was sich Konni Scholz statt dessen herbeiwünscht, könnte man Ästhetik nennen. Die Deutschen gäben „ein Heidengeld für Superfahrräder oder Reisen aus“, kritisiert sie, aber kaum jemand achte auf gute Qualität oder eine halbwegs verträgliche Herstellung von Klamotten, die etwas teurer seien. „Warum eigentlich nicht? Und weshalb greift die taz das Thema nicht auf? Warum schreibt sie nichts über die Vor- und Nachteile von Chemiefasern und Naturfasern? Oder über die Soziologie der Moden? So was kann man nirgendwo lesen, auch in der Brigitte nicht.“