Neue Spur im Mordfall Anna Lindh

Die Stockholmer Polizei verhaftet einen weiteren Verdächtigen. DNA-Spuren sollen den „vorbestraften Gewalttäter“ belasten. Demgegenüber wird der bisher Inhaftierte nach der Analyse von Kamera-Aufnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Die Polizei in Stockholm hat einen neuen Verdächtigen in der Mordsache Anna Lindh. Gleichzeitig wurde gestern der Anfang vergangener Woche Festgenommene wieder auf freien Fuß gesetzt. Zwei Tage bevor die Wochenfrist ablief, welche die Staatsanwaltschaft hatte, um sich vom Gericht die Untersuchungshaft „aus triftigen Gründen“ in eine solche „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ umwandeln zu lassen, hatten sich auch die „triftigen“ Gründe in Luft aufgelöst: Es bestehe kein Tatverdacht mehr gegen ihn, teilte Staatsanwältin Agneta Blidberg mit.

Was den am Mittwochvormittag Verhafteten angeht, meint die Polizei bereits jetzt einen „hinreichend wahrscheinlichen“ Tatverdacht zu haben. Nähere Informationen außer Vorverurteilungen wegen Gewalttaten wurden nicht bekannt. Die Ermittlungsbehörden kündigten an, sich über Person und Beweislage erst im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auf Beantragung der Untersuchungshaft äußern zu wollen. Dieser Gerichtstermin muss nach schwedischem Prozessrecht spätestens am Samstag stattfinden.

Viel spricht dafür, dass die Polizei nun über technische Beweise verfügt, den den neu Verdächtigten an die Tat binden können. Mehrere Zeitungen waren am Mittwoch schon vor der Festnahmemeldung mit Informationen erschienen, wonach es gelungen sei, DNA-Spuren auf Kleidungsstücken und der Mordwaffe zu sichern. So sollen auf dem in einem britischen Laboratorium untersuchten Messer ausreichende Mengen an DNA sichergestellt worden sein, die nicht Anna Lindh gehören. Aber auch solche der Ermordeten an der nach der Tat gefundenen Baseballkappe des „Video-Mannes“.

Die Charakterisierung des gestern Verhafteten als „vorbestrafter Gewalttäter“ könnte darauf hindeuten, dass sich DNA-Proben des Mannes im Polizeiregister befinden, das seit einigen Jahren alle zu mehr als zwei Jahren Haft Verurteilte erfasst.

Was den Freigelassenen angeht, so hatte die Polizei diesen aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem von Überwachungskameras gefilmten „Videomann“ festgenommen und wegen eines Täterprofils, das als „passend“ zum vermuteten Täter bewertet wurde. Spontan hatten Bekannte des Verhafteten auf offenbare Abweichungen zumindest im Bewegungsmuster und im Kleidungsstil zwischen ihm und dem „Videomann“ hingewiesen.

Seinen Freispruch vom Tatverdacht erbrachten offenbar biometrische Vergleiche (Augenabstand, Nasenform) mit mehreren tausend Fotos, die nicht nur im Tatort-Warenhaus, sondern auch an anderen Stellen der Stockholmer City am Tatnachmittag vom „Videomann“ gemacht worden waren. Diese wurden erst in den letzten Tagen analysiert. Nach Medieninformationen sollen technisch bessere Kamera-Aufnahmen im Warenhaus „PUB“ – hier war auch eine leere Messerscheide, die zur Tatwaffe passt, gefunden worden – den zunächst Verhafteten entlastet und die Polizei auf ihre neue Spur geführt haben.