berliner szenen Alltag in der Zeitung

Das doppelte Szenchen

Das Redakteursdasein ist manchmal hartes Brot. Jeden Tag in die Redaktion fahren, jeden Tag an denselben Ampeln rot. Jeden Tag dieselben Kollegen, jeden Tag an denselben Computer, erst mal hundert E-Mails löschen. Hundert Briefe aufmachen, Post von Veranstaltern, alle wegschmeißen und anschließend darüber ärgern, dass man sie überhaupt geöffnet hat. Bisschen in anderen Zeitungen rumblättern. Schon drei Stunden um. Erst mal Mittag essen. Schön Pasta mit Pesto. Und einen Cappuccino hinterher.

Dann die neuen Texte. Oh je, schon wieder ein neuer Autor. Der Anfang ist ja noch ganz lustig, aber dann wird’s ganz schön verworren. So verworren, dass man selbst ganz verwirrt ist. Erst mal beiseite legen. Den nächsten Text lesen. Ha ha! Dieser ist ja nun mal ausnahmsweise sehr lustig. Und schön ist er noch dazu. Richtig poetisch! Hab ich heute überhaupt schon eine „Berliner Szene“ auf der Seite? Nö. Passt doch. Nehme ich doch einfach diesen Text. Drucke ich ihn doch einfach mal weg, wenn er doch so schön ist.

Abends dann beim Bier der Freundin von der neuen lustigen Szene erzählen, die am anderen Tag in der Zeitung steht. Von geklauten Fahrrädern handelt sie. „Von geklauten Fahrrädern?“, fragt die Freundin. „Um geklaute Fahrräder ging es doch schon bei der Szene am Samstag!“

Schweißausbruch. Die Szene, die morgen in der Zeitung ist, war gestern schon drin. Die Überschrift hat im ersten Fall zwar die Kollegin gemacht, die Kürzungen auch, aber es ist derselbe Text. Der erste Anrufer morgen früh wird die Kollegin sein, hämisch. Und was wird sie sagen? Sie wird sagen: „Ich will nie wieder meine eigene Zeitung nicht lesen. Das schreibst du jetzt hundertmal.“ Blöde Kuh. SM