„Sie verbrennen unsere Kohle!“

Kurz vor den Wahlen an der Saar rechnen Bergbaugeschädigte mit der Kohlesubventionspolitik der Landesregierung unter Peter Müller (CDU) ab. Sofortiger Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau wird gefordert. Die Grünen blamieren sich

AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

An diesem Samstag in Saarbrücken regnete es nur einmal, dafür aber ganztägig. Dass trotzdem knapp 1.000 Menschen den Weg zur Protestkundgebung der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergbauschäden (Igba) vor die Landeszentrale der Deutschen Steinkohle AG (DSK) gefunden hatten, war für die Veranstalter denn auch ein „überwältigender Erfolg“. Gut eine Woche vor den Landtagswahlen rechnete der Igba-Landesvorsitzende Manfred Jost vor allem mit der Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Müller (CDU) ab: Vor der letzten Landtagswahl habe der „schwarze Peter“ versprochen, so schnell wie möglich aus dem subventionierten Steinkohlebergbau auszusteigen. Geschehen sei aber „bis heute nichts“. Im Gegenteil werde gerade ein neues Abbaugebiet erschlossen.

Jost wohnt in Fürstenhausen. Dort hat die DSK mit dem Bau von Stollen zum Abbau der Steinkohle die ganze Region „untertunnelt“. Häuser sind schon eingestürzt. Die Erde bebt. Und bei Jost daheim zerspringen schon mal die Kacheln im Bad mit lautem Knall. Dann ist wieder irgendwo unter Fürstenhausen ein nicht ordnungsgemäß aufgefüllter Stollen eingebrochen – und die Erde hat sich „abgesenkt“.

„Wir rauben Ihrer Zukunft das Zuhause – DSK“: eine viel beklatschte Parole auf der Kundgebung. Bislang entstanden in Fürstenhausen Bergbauschäden in Höhe von 34 Millionen Euro. Weil die DSK im Schadensfall bis zu einer von ihr selbst festgelegten „niedrigen Höhe“ (Igba) zahlt und an der Saar noch immer knapp 5.000 Menschen im Steinkohlebergbau beschäftigt sind, hält sich das Mitleid der meisten Saarländer bislang in Grenzen. Doch weil beim Geld der Spaß bekanntlich aufhört, moniert die Igba aktuell die „gigantische Geldvernichtung“ durch die Subventionen, die Jahr für Jahr in die Kassen der DSK fließen würden: seit 1980 inklusive der Kohleförderung für Nordrhein-Westfalen rund 100 Milliarden Euro. Das haushaltsschwindsüchtige Saarland, das gerade etwa Mittel für die Hochschulen des Landes zusammenstrich, habe allein im vergangenen Jahr rund 9 Millionen Euro auf die Konten der DSK überwiesen, sagte Jost. – „Sie verbrennen unsere Kohle!“, hieß es denn auch auf einem Plakat.

Klaus Friedrichs, Vorsitzender einer Initiative von Bergbaugeschädigten vom Niederrhein, rechnete vor, dass für eine Tonne Steinkohle auf dem Weltmarkt aktuell 40 Euro bezahlt würden; subventioniert aber würde eine Tonne Steinkohle gegenwärtig mit 130 Euro. Dass der Anteil der Steinkohle an der Energieversorgung von Deutschland nur noch „bis zu 3 Prozent“ beitrage und auf ihren Abbau auch deshalb problemlos verzichtet werden könne, konstatierte danach der Fernsehjournalist Franz Alt. Die Saar-CDU habe ihre Wahlversprechen nicht gehalten: Die Kohle sei nur noch die „Brücke zum Solarzeitalter“, habe Müller getönt. An dieser Brücke, so Alt, wird „offensichtlich ewig gebaut“.

Einen ganz schweren Stand hatte die Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk von der „angeblichen Subventionsabbaupartei Bündnis 90/Die Grünen“, wie Ökolandwirt Mathias Paul formulierte. Und das nicht nur, weil auch die Grünen im Bundestag nach „langem Ringen mit der SPD“ (Hajduk) am Ende doch noch die Hand für weitere Subventionen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro für den Steinkohlebergbau gehoben hatten: Die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses im deutschen Bundestag versuchte ganz offensichtlich, das ihr eingeräumte Rederecht zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen – und wurde dafür gnadenlos ausgepfiffen.