Kroaten springen aus dem Sack

Lange Zeit dominieren die deutschen Handballer mit ihrer Defensivstärke das olympische Finale, doch am Ende dreht Kroatien, schon im WM-Endspiel Stolperstein für das DHB-Team, noch einmal auf und holt sich mit einem 26:24-Erfolg Gold

VON MATTI LIESKE

Gute Verlierer waren sie noch nie, die deutschen Handballer. Und erst recht nicht gestern, als ihr Traum vom Olympiasieg mit dem 24:26 gegen Kroatien ziemlich jäh zerplatzt war. Rechtsaußen Florian Kehrmann, der vorher etwas hooliganhaft angekündigt hatte, die Kroaten „weghauen“ zu wollen, schubste gleich nach der Schlusssirene einfach mal rüde deren Trainer um und setzte so zumindest einen Teil des Vorhabens in die Tat um. Stefan Kretzschmar stemmte derweil ungläubig die Hände in die Hüften, trug einen ähnlich konsternierten Blick im Gesicht wie seine schwimmende Freundin Franziska van Almsick nach den 200 m Freistil, wahrte aber die Fassung und gratulierte artig den Siegern. Christian Schwarzer vergoss diesmal nicht Tränen des Glücks, wie nach dem Siebenmetersieg gegen Spanien im Viertelfinale, sondern Tränen des Unheils. Die Enttäuschung war verständlich, denn lange Zeit hatte es nicht schlecht ausgesehen für das deutsche Handballteam mit seiner Betonabwehr. „Wir hatten sie fast im Sack“, ärgerte sich Daniel Stephan.

„Spiele gewinnt man vorne – große Meisterschaften hinten“, hatte der Bundestrainer vor dem olympischen Finale gegen Kroatien gesagt. Genauso hatte seine Mannschaft im Halbfinale gegen Russland gespielt, und genauso rückte sie gestern auch dem bis dahin bei diesem Turnier ungeschlagenen Weltmeister zu Leibe. Immer wieder erzwang „die weltbeste Deckung“ (Kehrmann) Ballverluste der Kroaten, die oft in Tempogegenstöße und eigene Tore umgesetzt werden konnten. Immer wieder wurden die gefährlichen Kroaten gestoppt, und wenn mal ein Wurf durchkam, landete er oft bei Torhüter Henning Fritz. Der Welthandballer Ivano Balic erzielte keinen einzigen Treffer, und auch Topscorer Mirza Dzomba blieb mit neun Toren unter seinem gewohnten Schnitt.

„Wenn wir das 60 Minuten durchhalten, gewinnen wir jedes Spiel“, hatte Kehrmann im Überschwang der Gefühle nach den hart erarbeiteten Erfolgen gegen Spanien und Russland über die vorbildliche Abwehrarbeit gesagt, dabei jedoch vergessen, dass die Medaille auch eine Rückseite besitzt: Die relativ schwachen Leistungen im Angriff nämlich, die es auch gestern verhinderten, dass sich die Mannschaft auf der Basis der starken Defensive entscheidend absetzen konnte. Zwar lag das DHB-Team vor allem dank der Außen Kretzschmar, der neun Tore erzielte, und Kehrmann (5) oft mit zwei oder gar drei Toren in Front, doch aus dem Rückraum lief wenig,und die Kroaten kamen stets wieder heran.

Das rächte sich in den letzten zehn Minuten, als der Druck des Weltmeisters größer wurde und die deutsche Abwehr immer unsauberer zu Werke ging, womit sie sich Siebenmeter und Zeitstrafen einhandelte. Nun ging es darum, nicht selbst vorentscheidend in Rückstand zu geraten, ein Vorhaben, das spätestens dann misslungen war, als Kroatien drei Minuten vor Ende mit 24:21 in Führung ging. So etwas lässt sich ein Weltklasseteam wie das kroatische in der Regel kaum noch nehmen, so auch in diesem Fall. ging. „Wir haben Gold verloren, aber Silber gewonnen“, sagte Stephan hinterher, es wird eine Weile dauern, bis sich diese Sichtweise bei allen seinen Kollegen durchgesetzt hat.