Keine Gnade für Enzo Baldoni

Der linke italienische Journalist Enzo Baldoni ist von seinen Geiselnehmern im Irak ermordet worden. Er war gegen den Krieg und gegen die italienische Beteiligung

ROM taz ■ Enzo Baldoni ist tot. Der 56-jährige italienische Journalist wurde am Donnerstagabend, unmittelbar nach Ablauf eines 48-stündigen Ultimatums, von der Terrorgruppe „Islamisches Heer im Irak“ ermordet. Baldoni, der sich seit Ende Juli im Irak aufhielt, um für die linke Wochenzeitschrift Il Diario della settimana zu berichten, war seinen Häschern am 19. August in die Hände gefallen, als er einen Rotkreuz-Konvoi von Bagdad nach Nadschaf begleitete. Bei seiner Gefangennahme hatten die Geiselnehmer schon den irakischen Fahrer und Dolmetscher des Journalisten ermordet.

Am Dienstag dann kam das Ultimatum, als Al-Dschasira-Video. Zu sehen war der ruhig wirkende Baldoni, dazu wurde das Communique verlesen: Italien solle seine Truppen vollständig aus dem Irak abziehen; anderenfalls werde die Geisel hingerichtet. Die Regierung Berlusconi antwortete ihrerseits mit der Forderung nach „bedingungsloser“ Freilassung der Geisel und bekräftigte ihr Festhalten am Irak-Engagement der 3.000 italienischen Soldaten. Zugleich aber zeigte sich das Außenministerium noch am Donnerstag optimistisch; Beamte streuten die Nachricht, es sei gelungen, einen Kontakt zu den Geiselnehmern herzustellen.

Verhalten optimistisch waren bis zuletzt auch die Familie und die Freunde Baldonis. Sie setzten ihre Hoffnung auf die Biografie der Geisel. Baldoni, im Hauptberuf erfolgreicher Inhaber einer Werbeagentur, war zugleich aus Leidenschaft Free-Lance-Journalist. Er hatte von zahlreichen Krisenherden der Welt aus Reportagen geliefert: Aus Chiapas, Birma, Osttimor, Kolumbien, wo er schon einmal von Farc-Guerilleros festgehalten worden war. Und er hatte dabei seine Sympathien für die Befreiungsbewegungen ebenso wenig verhehlt wie jetzt seine Gegnerschaft gegen den US-Krieg im Irak und die italienische Unterstützung für Bush. In über al-Dschasira ausgestrahlten Appellen hatten der Chefredakteur von Diario della Settimana und Baldonis Tochter die Geiselnehmer eindringlich darauf hingewiesen, dass Baldoni „ein Mann des Friedens“ war, der vor Ort über die Leiden der Iraker berichtete und zugleich bei humanitären Einsätzen des Roten Kreuzes mitwirkte.

Am Donnerstagabend aber zerschlugen sich alle Hoffnungen. Ihrem grausamen Ritual entsprechend stellte die Terrorgruppe dem Nachrichtensender al-Dschasira das – nicht ausgestrahlte – Video mit Bildern von der Leiche Baldonis zu. Italien beklagt damit, nach dem Mord an dem für einen privaten Sicherheitsdienst tätigen Fabrizio Quattrocchi im April, den zweiten Geiseltoten im Irak.

MICHAEL BRAUN