Viel Wind im Hafen

„Wir sind nicht im Börsenbubble groß geworden“, sagt der Geschäftsführer der AN Windenergie und bezeichnet die Firma als „klein mit einem hochwertigen Produkt“. Das Büro sitzt in einem umgebauten Speicher gleich neben der Gröpelinger Roland-Mühle. Teil 4 der Serie „Betrieb im Hafen“

Bremen taz ■ „Wenn Sie in Kopenhagen eine Stadtbesichtigung machen, dann kurvt der Bus auch zu den Windparks im Öresund und der Führer sagt Ihnen mit stolzgeschwellter Brust: Hier sehen Sie unseren neuesten Windpark mit 20 Mühlen: Das ist unser neues Wahrzeichen.“ Norbert Giese, Geschäftsführer der Firma AN Windenergie erzählt das mit unüberhörbarem Bedauern. In Deutschland wolle man geplante Offshore-Mühlen nach wie vor „verstecken“. 20 davon auf einem Haufen seien ohnehin die Ausnahme, und die seien den Gemeindedirektoren dann eher peinlich. Dabei könnte man stolz sein auf diese saubere Technik.

Wer in den ehemaligen Gröpelinger Hafenanlagen – dort hat AN seit 20 Jahren seinen Sitz – große Montagehallen mit riesigen Rotorblättern und noch größeren Turmelementen erwartet, der hat sich geirrt. AN Windenergie baut keine eigenen Mühlen. Turbinen und Rotorblätter werden vielmehr in Dänemark bei der Firma Bonus hergestellt, Turmteile bezieht man aus der ganzen Bundesrepublik – auch in Bremen-Nord sitzt ein Hersteller. AN schließlich vertreibt die fertigen Türme, stellt sie auf und wartet sie. Letzteres nimmt den größten Teil des Firmengeschäfts ein. Über 80 Servicefahrzeuge hat AN im Einsatz, jeder davon mit Technik und Gerätschaft im Wert von rund 50.000 Euro bestückt. „Wir pflegen fast alle von uns aufgestellten Anlagen selbst“, sagt Giese.

Dafür gibt es zum großen Servicefahrzeug-Parkplatz direkt am Holzhafen in Gröpelingen natürlich auch ein riesiges Lager. Die Herzen aller Technikfreaks würden höher schlagen beim Anblick der VA- und Edelstahl-Werkzeuge, der Winden, Monster-Schrauben und Ersatzteile, die dort sauber sortiert in meterhohen Regalen lagern. Aber auch für Nicht-Techniker hält das Lager ein paar Schönheiten – sprachlicher Natur – wie etwa die „Königszapfengehäuseflansch“.

200 Arbeitsplätze gibt es bei der Firma AN Windenergie. „Und es werden tendenziell mehr“, so Giese. Ganz einfach deshalb, weil mit jedem neu aufgestellten Windrad die Servicekapazitäten aufgestockt werden müssen. Bis dato hat die Firma rund 1.300 Windkraftanlagen errichtet, die etwa genauso viele Megawatt produzieren. „Das ist mehr als ein großes Kernkraftwerk bringt.“ In Planung sind derzeit größere Windparks bei Osnabrück und in Sachsen-Anhalt, auch für die ersten Offshore-Anlagen sitze man „in den Startlöchern“, so Giese. Vom schwieriger gewordenen Markt für Windkraft kommt bei AN nicht viel an. „Probleme hatten vor allem diejenigen, die mit dem Hype in den 90ern groß geworden sind“, vermutet Giese. AN aber hätte sich nie im „Börsenbubble“ verstiegen. „Wir haben eine große Firmenkonstanz“, so Giese, „wir haben niemanden gekauft und wir sind auch nicht gekauft worden.“

Bodenständig ist auch die Gründungsgeschichte der Firma AN. 1984 machte im Zuge der Werftenkrise auch der Schiffszulieferer Voith seine Betriebsstätte im Bremer Industriehafen dicht. Etliche Arbeitnehmer haben sich daraufhin zusammengetan und wollten ihre Berufe und ihr Know-how in eine Neugründung hinüberretten. Nach ein paar Zwischenschritten war schließlich die Arbeitnehmer (AN) Windenergie entstanden. Auch heute noch sind viele Angestellte selbst an den eigenen Windkraftanlagen beteiligt.

„Wir sind eine kleine Firma mit einem hochwertigen Produkt“, so Giese. Wobei die Spezialität von AN hohe, standsichere Türme sind – „Unser größter hat 100 Meter“ – und dementsprechend die Fundamentierung der Türme. Zum Vergleich: Die fünf Türme an der A 1 in der Mahndorfer Marsch, ebenfalls eine AN-Anlage, sind 80 Meter hoch.

So schwierig manchmal die Suche nach Standorten für Windanlagen ist, so glücklich ist die Firma mit ihrem eigenen Sitz im Gröpelinger Hafen. „Dabei war die Suche für uns gar nicht so einfach“, sagt Giese. „Wir gehören nicht zum klassischen industriellen Bereich, aber auch nicht in die pure Büro-Abteilung. Wir wären an der Uni im Technologiepark mit unsren Containern und dem Fertigteillager wahrscheinlich nicht so willkommen gewesen.“ In den Hafen dagegen passe das Profil optimal. Ein charmanter, umgebauter Speicher beherbergt nun das Großraumbüro, die Forschungsabteilung und die Geschäftsführung der Firma. Das Lager ist gleich nebenan in einer riesigen Wellblechhalle untergebracht, und der Parkplatz für die vielen Servicewagen ist auch um die Ecke. In der Nachbarschaft ist ein weiterer Windkraftbetrieb, mit dem AN auch kooperiert. „Und wenn wir nach Feierabend mal zusammensitzen, dann tun wir das im Restaurant vom Speicher XI“ beschreibt Giese den Radius rund um AN. Die Schiffe der Roland-Mühle nebenan, das Hafenbecken und auch die gelegentlich vorbeiratternde Hafenbahn fungieren hier nur noch als Kulisse. Als äußerst willkommene allerdings. „Hier hat sich noch nie jemand aus dem Büro über die Lautstärke beschwert“. Der Hafen müsse nach wie vor klassische Betriebe zulassen, findet Giese und warnt vor einer „stillen Verdrängung der Betriebe“, wenn man den Fokus der Planungen zu sehr auf die ‚sauberen Bereiche‘ Wohnen und Büros konzentriert. „Ohne Industrie gibt es hier kein einziges Büro“, ist er sich sicher. Die geplante Mixtur von Gewerbe, Wohnen und Büros findet er aber „sehr verführerisch“ und ist nach eigenen Angaben durchaus selbst ein potentieller Hafenbewohner. Wenn, ja wenn er nicht in Hamburg wohnen würde.

Elke Heyduck