Asyl für weißrussische Studenten

Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität, will StudentInnen aus Minsk zum Examen führen. Deren Heimatuni ließ Weißrusslands Präsident Lukaschenko schließen

BERLIN taz ■ Die Rolle der Herausforderin liegt ihr: Ex-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan will Weißrusslands Lenker Alexander Lukaschenko ein Schnippchen schlagen. Die Präsidentin der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder) hat 60 belorussischen Studenten Bildungsasyl angeboten.

Deren Heimathochschule, die Europäische Humanistische Universität (EHU), hat Präsident Lukaschenko Anfang August schließen lassen. Der liberale Geist an der einzigen nichtstaatlichen Hochschule störte das autoritäre Regime.

Unter den misstrauischen Augen der Obrigkeit betreibt die Viadrina zusammen mit der EHU seit einem Jahr den Studiengang Internationales Management. Leiter Peter Liesegang organisiert nun von Minsk den Nottransfer an die Viadrina: „Das ist eine Rettungsaktion.“ Am härtesten betroffen seien die Studenten im letzten Studienjahr. Diese rund 70 von insgesamt 1.000 Eingeschriebenen sollen in Deutschland zu Ende studieren dürfen.

Auch die Freie Universität (FU) in Berlin und die Rostocker Uni wollen belorussische Emigranten aufnehmen. „Wir fühlen uns herausgefordert, dieses liberale Projekt zu retten“, sagt Gottfried Gügold vom Referat für Unipartnerschaften an der FU. So viele Studenten wie möglich aufnehmen, sei der erste Gedanke gewesen. „Wir haben sofort in unsere Schatullen geschaut“, sagt er.

Das Geld sei ein Knackpunkt, räumt der Frankfurter Koordinator Liesegang ein. Die Viadrina wirbt bei Stiftungen um Stipendien für die künftigen Gaststudenten. Um den Aufenthalt von 60 Studierenden für ein Jahr zu finanzieren, seien etwa 300.000 Euro nötig. „Eine Stückwerkarbeit, aber die Aussichten sind nicht schlecht“, meint er.

Indes sind die belorussischen Behörden aufgeschreckt. „Sie haben jetzt eine Liste der Studenten verlangt, die weiterhin einen EHU-Abschluss machen wollen“, berichtet Liesegang. Alle hätten das Angebot erhalten, sich an den staatlichen Unis einzuschreiben. Doch für den Wechsel müssten die ehemaligen EHU-Studenten selbst in Weißrussland 500 Euro bezahlen – und zusätzlich 1.500 Euro Studiengebühren. Zudem sollen sie in einem Jahr 20 bis 30 Examina wiederholen, angeblich, um sich dem Niveau ihrer Kommilitonen an der Staatsuni anzupassen. Doch Lukaschenko brauche eine nachträgliche Legitimation für den Willkürakt, erklärt Liesegang. Angeblich sollen drei Viertel Studierende der EHU ausgesiebt werden – damit wäre der Misserfolg der bürgerlich-humanistischen Uni perfekt.

Die europäischen Partner der EHU konnten deren Fall bisher kaum bremsen. Die Humanistische Uni gehörte dem Netzwerk Campus Europae, einem Verbund aus 14 europäischen Hochschulen. „Wir bemühen uns, dass unsere Partner noch Studenten aufnehmen“, berichtet deren Generalsekretär Christoph Ehmann. Allerdings seien finanzielle Angebote zweischneidig. „Ein Stipendium kann nach politischem Asyl riechen“, befürchtet Ehmann. Dann seien die Studenten als Staatsfeinde abgestempelt – und der Rückweg in die Heimat versperrt.

Die Studis scheren sich wenig um solche Bedenken. Das Interesse, einen Platz an der Viadrina zu ergattern, sei groß, berichtet Liesegang. ANNA LEHMANN