Grüne misstrauen EU-Kommission

Die Grünen im Europäischen Parlament drohen Kommissionspräsident Manuel Barroso mit einem Misstrauensvotum, weil er die Zulassung von Genpflanzen erzwingen wolle

BRÜSSEL taz ■ Die Grünen im Europaparlament fahren schweres Geschütz auf. „Wir sind höchst besorgt über die Art, wie Sie versuchen, die Zulassung von höchst kontroversen gentechnisch veränderten Pflanzensorten in der EU zu erzwingen“, schrieben sie vergangene Woche an Kommissionspräsident Manuel Barroso. Wenn er seine Haltung nicht ändere, werde das Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn einbringen. Kurz zuvor hatte der zuständige Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit den Versuch der Kommission zurückgewiesen, in Ungarn und Österreich die Anbauerlaubnis für den Genmais MON 810 der Firma Monsanto zu erzwingen.

Die Grünen haben einen Forderungskatalog für die Kommission aufgestellt. Unter anderem verlangen sie, dass eine umfassende Risikobewertung durchgeführt wird, bevor andere Genpflanzen wie Bt11-Mais von Syngenta, 1507 von Dupont/Pioneer oder die modifizierte Kartoffelsorte Amflora von BASF zugelassen werden. Dabei sollen nicht nur mögliche Gesundheitsrisiken im Langzeitversuch getestet werden. Die Folgen von Pestizidresistenzen für die landwirtschaftliche Praxis müssten aufgezeigt werden. Auch die landwirtschaftlichen und ökologischen Risiken sollten für jede Region abgeschätzt werden. Ungarn und Österreich hatten beim Zulassungsverbot für den Genmais darauf verwiesen, dass ihre Landwirtschaft so kleinteilig ist, dass traditioneller Anbau und Gentech nicht wirkungsvoll getrennt werden können.

Die Grünen wollen auch mehr Transparenz in den Zulassungsprozess bringen und etwa die Zusammensetzung der Lebensmittelagentur Efsa, die Risikostudien zur Gentechnik bewerten muss, überdenken. Die Kommission verstecke sich hinter der Welthandelsorganisation, die eine Marktöffnung für Gentechimporte verlange. „In Wahrheit hat die WTO das Recht von Mitgliedstaaten, einen strengen Zulassungsrahmen einzuführen, nicht infrage gestellt“, schreiben die Grünen an die Vorsitzenden der anderen Fraktionen. Der grüne Landwirtschaftsexperte Graefe zu Baringdorf, der im Sommer aus dem EP ausscheidet, verlangt, Lücken in der Gentechgesetzgebung zu schließen. Es sei im Gesetz nicht vorgesehen, dass Milch, Fleisch oder Eier von Tieren, die mit Genmais gefüttert würden, gekennzeichnet sei.

Ein Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission – das hat es im Europaparlament seit 1999 nicht mehr gegeben. Damals führten Korruptionsvorwürfe letztlich zum Rücktritt des gesamten Kollegiums. 79 Abgeordnete müssen unterschreiben, damit solch ein Antrag ins Plenum eingebracht werden kann. Die dürften zusammenkommen. Doch bei der Abstimmung müssten zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten mit mindestens 395 Stimmen gegen die Kommission votieren. Da es im Parlament große Sympathien für die Gentechnik gibt – etwa bei den deutschen Christdemokraten –, dürfte der Antrag wohl scheitern. DANIELA WEINGÄRTNER

meinung und diskussion SEITE 12